Fukushima: Wie ein japanischer Tsunami Deutschland verwüstete

Das große Seebeben in Japan 2011 hat ungeahnte Langzeitfolgen. Wie kam es in Deutschland zu zehntausenden Todesopfern durch einen Tsunami?

Zu Nine-Eleven gedenkt die USA den 3.000 Todesopfern der Terroranschläge in New York. Zu Three-Eleven gedenkt Japan den 16.000 Todesopfern des Seebebens vom 11. März 2011.

Die bis zu 40 Meter hohen Flutwellen sorgten auch für eine dreifache Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Die Reaktoren waren nicht gegen Hochwasser geschützt.

Durch Strahlenfolgen gab es zwar keine Todesopfer. In der deutschen Aufmerksamkeit verdrängte die Kernschmelze von Fukushima trotzdem die eigentliche Naturkatastrophe.

Diese Bewertung führte hierzulande zu einer Panik und Kurzschlussreaktion. Innerhalb von nur 96 Stunden besiegelte Merkels Atommoratorium den deutschen Atomausstieg.

Der deutsche Atomausstieg senkte unser Risiko nicht, sondern erhöhte es:

  • Durch die zusätzliche Luftverschmutzung aus Kohlekraftwerken starben in Deutschland mehr Menschen als in Japan durch die Naturkatastrophe.
  • Im Klimaschutz-Ranking liegen wir heute durch den Atomausstieg im deutschen Alleingang weit abgeschlagen hinter anderen europäischen Ländern.

Fukushima ist die unglaubliche Geschichte, wie ein japanischer Tsunami Deutschland verwüstete.

Direkte Fukushima-Tote: Wie viele Todesopfer durch radioaktive Strahlung?

Kurze Antwort: Es gibt keine Strahlenopfer in der Bevölkerung durch Fukushima

“[…] no adverse health effects among Fukushima Prefecture residents have been documented that are directly attributable to radiation exposure from the FDNPS accident”

Es gibt auch keine Langzeitfolgen durch Radioaktivität in der Bevölkerung. Selbst beim Schilddrüsenkrebs, der wahrscheinlichsten Gesundheitsfolge radioaktiver Strahlung, besteht kein erhöhtes Risiko: 1

“[…] excess thyroid cancer risk that could be inferred from radiation exposure was most likely not discernible in any of the age groups considered.”

Anders als bei der unversehrten Bevölkerung sieht es bei den Arbeitern im Kernkraftwerk aus. 168 Arbeiter erhielten Strahlendosen von mehr als 100 mSv. Ab 100 mSv gibt es ein leicht erhöhtes Risiko für den gut heilbaren Schilddrüsenkrebs. 2

Ein Arbeiter starb inzwischen an Lungenkrebs, der 2016 diagnostiziert wurde. Rechtlich wurde der Krebs als Folge des Unfalls im Kernkraftwerk anerkannt und die Familie erhielt eine Entschädigung. Sehr wahrscheinlich war der Lungenkrebs aber keine Folge des Unfalls. Infolge von Tschernobyl stieg das Lungenkrebs-Risiko nicht. Selbst bei den Überlebenden der Atombomben dauerte es mindestens 10 Jahre bis zur Bildung von festen Tumoren. 3

Indirekte Fukushima-Tote: Wie viele Todesopfer durch Langzeit-Folgen?

Die eigentliche Fukushima Katastrophe ist der Wegfall der AKW

Kurze Antwort: Es waren bisher gut 50.000 Tote durch unangemessene Reaktionen auf Fukushima zu beklagen, knapp die Hälfte davon in Deutschland

Es kam zwar zu keinen direkten Gesundheitsfolgen durch die Kernschmelze, aber zu vielen indirekte Todesfälle:

  • 2.268 Todesopfer in Japan durch Evakuierungen in der Präfektur Fukushima (Seebeben & Kernschmelze) 4
  • 4.500 Todesopfer in Japan durch höhere Strompreise wegen der jahrelangen Revision der Kernkraftwerke 5
  • 20.600 Todesopfer in Deutschland durch zusätzliche Luftverschmutzung wegen deutschem Atomausstieg 6
  • 23.300 Todesopfer in Japan durch zusätzliche Luftverschmutzung wegen der Revision der Kernkraftwerke

In Summe sind das gut 50.000 indirekte Todesopfer, 40% davon in Deutschland. Und dabei sind die Folgen von von 3.600 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Emissionen noch gar nicht berücksichtigt. Zum Vergleich: beim Tsunami und Erdbeben kamen rund 16.000 Menschen um.

In Japan sollten die Kernkraftwerke nur vorübergehend zur Nachrüstung gegen Tsunami-Gefahren abgeschaltet werden. Unverständlich ist, dass diese japanische Revision in den meisten AKW auch 12 Jahre später andauert. Und das obwohl Japan die Kernkraftnutzung maximieren will.

Deutschland hingegen wollte infolge von Fukushima als einziges Land der Welt sofort aus der Kernkraft aussteigen. Nur 96 Stunden nach dem Unfall wurden die ersten 8 AKW für immer abgeschaltet. Fukushima hat objektiv gar nichts geändert. Bei uns ist das Risiko von Tsunamis bekanntermaßen 0 und das Restrisiko eines Unfalls ist weiterhin infinitesimal.

Nach dem Vorsorgeprinzip muss man Risiken gegeneinander abwägen. Kohlekraftwerke sind um Größenordnungen tödlicher als Kernkraftwerke. Nach Fukushima wurden aber keine Risiken verglichen und somit das Risiko deutlich erhöht.

Durch die Strahlenangst sterben bei uns mehr Menschen als durch die direkten Folgen des Tsunamis in Japan. Wenn wir wie geplant unsere letzten 6 Kernkraftwerke unumkehrbar zerstören, erhöht das die Zahl der deutschen Strahlenangst-Todesopfer.

Restrisiko: War Fukushima vermeidbar?

Kurze Antwort: Ja, Fukushima hätte sehr einfach vermieden werden können.

Es hätte wahrscheinlich schon viel geholfen, die Tür zum Maschinenraum wasserfest zu machen. Noch besser, man hätte die Notstromversorgung hochwasserfest verbunkert, wie in deutschen Kernkraftwerken.

Der Unfall von Fukushima geschah nicht durch ein unvermeidbares Restrisiko. Es handelte sich um ein völlig vermeidbares Tsunami-Risiko. 7

“Damit fällt die Katastrophe nicht in den Bereich des über die Anlagenauslegung nicht mehr abgedeckten Restrisikos, sondern betrifft die Gestaltung der Basisauslegung. Diese bot gegenüber diesen durchaus absehbaren Einwirkungen von außen keinen ausreichenden Schutz.”

Die Sicherheitsmaßnahmen in Fukushima Daiichi waren an vielen Stellen unzureichend, vor allem die Tsunami-Auslegung von nur 10 Metern. An der Sanriku-Küste bei Fukushima gab es Tsunamis mit mehr als 10 Metern Höhe in den Jahren 0, 869, 1611, 1896 und 1933. Die beobachtete Frequenz lag also bei 1 pro 400 Jahre. 8

Spätestens nach 400 Jahren passiert also nach den vor Fukushima bekannten Wahrscheinlichkeiten dieser Domino-Effekt:

  1. Wegen der fehlenden Auslegung gegen Tsunamis löst ein 10-Meter-Tsunami eine Überflutung aus.
  2. Wegen der fehlenden Auslegung gegen Hochwasser, führt eine Überflutung fast automatisch zum GAU.
  3. Wegen der fehlenden Auslegung gegen eine Kernschmelze eskaliert ein GAU fast automatisch zum Super-GAU.

Das war kein Risiko mehr, geschweige denn ein Restrisiko. Im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi gab es eine Super-GAU-Garantie alle 400 Jahre.

Das Restrisiko eines Kernschadens in deutschen Kernkraftwerken liegt hingegen im Bereich 1/1000000 pro Reaktorjahr. 9

Im Risikovergleich Deutschland vs Fukushima äußert sich das so:

  • 0,0006% Risiko Deutschland
    Das ist das Gesamtrisiko eines Kernschadens pro Jahr in einem der 6 noch laufenden deutschen Reaktoren.
  • 0,3086% Risiko Fukushima
    Das ist das Tsunami-Risiko plus das Gesamtrisiko eines Kernschadens pro Jahr für die 6 Reaktoren in Fukushima.

Und Kernschaden in Deutschland heißt wegen der Auslegung höchstwahrscheinlich ein beherrschbarer GAU, kein Super-GAU mit Auswirkungen auf die Umwelt.

Super-GAU in Deutschland: Kann Fukushima bei uns passieren?

Kurze Antwort: Fukushima kann nicht in Deutschland passieren, weil unsere AKW anders ausgelegt sind.

Selbst wenn ein deutsches Kraftwerk an der Stelle von Fukushima Daiichi gestanden hätte, wäre eine Kernschmelze höchstwahrscheinlich vermeidbar gewesen, wegen:

  • Diversitäre Wärmesenke: Alternative zur ultimativen Wärmesenke
  • Redundante Notkühlung: Mehrfache, unterschiedliche Systeme an mehreren Standorten
  • Gesicherte Notkühlung: verbunkert gegen Außeneinflüsse und Hochwasser

Selbst wenn eine Kernschmelze passiert wäre, wäre das in einem deutschen Kraftwerk höchstwahrscheinlich ein GAU ohne Auswirkungen für die Biosphäre geblieben. Im Unterschied zum Super-GAU in Fukushima hätte es kein Leck im Containment und keine nennenswerte Freisetzung von Radionukliden gegeben, wegen:

  • Wasserstoff-Rekombinatoren: Katalysatoren zum Abbau von Wasserstoff
  • Wallmann-Ventile: Ventile zur gefilterten Druckentlastung
  • Notfallübungen: Regelmäßige Tests von Maßnahmen und Einrichtungen

Die deutlich umfangreicheren Sicherheitsmaßnahmen deutscher Kernkraftwerke waren schon im April 2011, kurz nach Fukushima bekannt.

Zusätzlich zur anderen Sicherheitsauslegung, ist in Deutschland die Tsunami-Gefahr gleich 0. Das kann man nicht oft genug sagen.

Politik vs Physik: War der Atomausstieg in Deutschland technisch begründet?

kurze Antwort: Nein, die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke stand unter Experten außer Frage

Die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke wurde bereits 2011, kurz nach Fukushima, von der Reaktor-Sicherheitskommission im Auftrag des Bundestages bestätigt. Überprüft wurden neben Erdbeben und Hochwasser auch Szenarien wie Terroranschläge, Flugzeugabstürze und Hackerangriffe. In diesem nationalen Stresstest wurde eine große Robustheit deutscher Anlagen mit erheblichen Sicherheitsreserven festgestellt. 10

Auch im Jahr nach Fukushima wurden die deutschen Kernkraftwerke im EU-Stresstest nochmals positiv auf ihre sichere Auslegung auf Unfallhergänge wie in Fukushima getestet. 11

Statt auf die Gutachten dieser Experten zu hören, wurde in Deutschland eine Ethik-Kommission einbestellt. In diesen Rat wurde kein einziger Kernenergie-Experte berufen. Mitglieder waren unter anderem 2 Bischöfe, eine Philosophin und Vertreter der Geisteswissenschaften.

Die Ethik-Kommission sollte nicht etwa die Risiken für und wider Kernkraft oder gar die der deutschen Klimapolitik abwägen. Vorgabe von Kanzlerin Merkel an die Gruppe war die Ausgestaltung des Atomausstiegs: 12

“Wie kann ich den Ausstieg mit Augenmaß so vollziehen, dass der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ein praktikabler ist, ein vernünftiger ist”

Die Ethik-Kommission nickte ihrem Auftrag entsprechend in ihrem Abschlussbericht den Atomausstieg ab.

Medien & Fukushima: Gab es einen deutschen Alleingang beim Framing?

kurze Antwort: Deutsche Medien machten durch negatives Framing Meinung für den Atomausstieg.

In Japan und vielen anderen Ländern stand die Naturkatastrophe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Kein Wunder, Erdbeben und Tsunami hinterließen eine Schneise der Zerstörung und 16.000 Todesopfer.

In Deutschland hingegen rückte schnell das Kernkraftwerk in den Fokus. Deutsche Medien schrieben den Atomausstieg geradezu herbei.

Ein Vergleich von tausenden Zeitungs- und Fernsehberichten nach dem Unfall in Frankreich, England, Schweiz und Deutschland zeigt: 13

  1. In Deutschland wurde 2011 deutlich mehr aus Japan berichtet als in anderen Ländern.
  2. In Deutschland wurde vor allem über den Unfall im Kernkraftwerk berichtet und nur wenig über Tsunami und Erdbeben.
  3. In Deutschland und Schweiz wurden oft Rückschlüsse auf eigene Kernkraftwerke gezogen, in England und Frankreich kaum.
  4. Das Atom-Moratorium in Deutschland nach 96 Stunden verstärkte die negativ wertende Berichterstattung noch.
  5. In Deutschen und Schweizer Medien wurden sehr häufig Forderungen nach einem Atomausstieg laut, in England und Frankreich nicht.
  6. In Frankreich und England bestätigten positive Expertenaussagen die positive Wertung. In Deutschland wurde das negative Framing von negativen Expertenaussagen begleitet.

Alle vier Länder sind genauso weit von Japan entfernt und die Sicherheitsstandards in den Kernkraftwerken ähneln sich. Es gibt also keine objektiven Gründe für die unterschiedliche Berichterstattung in den Medien.

Objektive Fakten wurden in deutschen Medien sogar totgeschwiegen. Der erste UN-Bericht 2013 zu den geringen Strahlenfolgen von Fukushima wurde nur in 6 von 70 untersuchten deutschen Zeitungen erwähnt. Nur FAZ und ZEIT haben seriös darüber berichtet. 14

Das Anti-Kernkraft-Framing in deutschen Medien hat sich bis heute kaum gebessert. Zum zehnten Jahrestag des Tōhoku-Seebebens, gab es deutsche Medien, die die Todesopfer von Tsunami und Erdbeben dem Unfall im Kernkraftwerk zuschrieben. Und dieser “Fehler” passierte in den deutschen Medien bisher zuverlässig zu jedem Jahrestag.

Unterschiede beim Framing sieht man auch am Google Trends Suchvolumen. Weltweit wurde in den letzten 10 Jahren fast genauso oft nach dem Erdbeben, wie nach dem Unfall im Kernkraftwerk gesucht. Aber in 3 Ländern mit besonders negativer Berichterstattung zur Kernkraft Deutschland, Österreich und Italien wurde rund zehn Mal so häufig nach dem Unfall im Kernkraftwerk wie nach der Naturkatastrophe gegoogelt.

Ist die deutsche Diskussion zur Kernkraft durch Fukushima “verstrahlt”?

kurze Antwort: es ist wieder besser geworden

Das Thema Kernkraft in Deutschland schien lange hoffnungslos “verstrahlt”. 2021 – 10 Jahre nach Fukushima gab es zumindest wieder vereinzelte Pressestimmen, die den deutschen Alleingang beim Atomausstieg kritisierten, gehäuft zum Beispiel nach der Veröffentlichung von Bill Gates Klimabuch.

2022 – im 11. Jahr nach Fukushima war die Kernkraft-Debatte dann wieder in vollem Schwung wegen der Energiekrise und Putins Ukraine-Krieg. Selbst im grünen Sprechrohr TAZ gab es Artikel zur Laufzeitverlängerung nach der Energiekrise und nach dem Ukraine-Krieg. Durch Putin ergeben Umfragen sogar eine überweigende Mehrheit der Deutschen für eine Laufzeitverlängerung bestehender AKW. Sogar für Neubauten gibt es eine Mehrheit.

Trotzdem gibt es hierzulande immer noch selbsterklärte Klimaschützer, die regelrecht gegen klimafreundliche Kernkraftwerke hetzen. Selbst bei den Protesten in Lüzerath sah man Banner mit Anti-AKW-Propaganda. Wer bewusst längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke in Kauf nimmt, ist nun wirklich kein Klimaschützer.

Der Fukushima-Jahrestag zeigt, wie schwer eine objektive Berichterstattung zur Kernkraft in Deutschland immer noch ist:

Fukushima Explosion: Kann ein Kernkraftwerk in die Luft gehen?

Klimaschützer sind für den Ausbau aller klimafreundlichen Energiequellen

Kurze Antwort: Nein, Leichtwasserreaktoren können nicht explodieren!

Die Fernsehbilder der Explosionen im Kernkraftwerk Fukushima haben sich eingeprägt. Können Kernkraftwerke also doch explodieren wie eine Bombe?

In Fukushima kam es zu einer Knallgasreaktion mit Wasserstoff und Sauerstoff außerhalb des Reaktors. Dabei wurde die Außenverkleidung der Gebäude beschädigt. Dem sicherheitsrelevanten Reaktor-Containment konnten die Explosionen aber nichts anhaben.

Bei der Kernschmelze entstehen im Reaktor große Mengen Wasserstoff. Ein Entzünden im Reaktor selbst ist unmöglich, weil die Atmosphäre im Containment durch große Mengen Stickstoff inertisiert ist.

Bei der Druckentlastung des Containments kam es zur Ansammlung von Wasserstoff im Außengebäude. Dort vermengte sich der Wasserstoff mit Luftsauerstoff und es kam zur bekannten Knallgasreaktion. Dabei ist aber kein Reaktor und auch kein Kernkraftwerk explodiert.

Deutsche Kernkraftwerke wurden nach dem Unfall von Three Mile Island mit Wasserstoff-Rekombinatoren nachgerüstet. Die können eine Knallgasreaktion vermeiden. 15 Leider hat man in Japan auf diese Nachrüstung verzichtet.

Wenn jemand von explodierenden Reaktoren spricht, sollen vermutlich Erinnerungen an Tschernobyl geweckt werden. Das war aber kein Leichtwasserreaktor, sondern ein graphitmoderierter Reaktor mit positivem Dampfblasenkoeffizienten. Dort kann es tatsächlich zu einer Explosion durch eine unkontrollierte Kettenreaktion kommen. In deutschen AKW ist das physikalisch unmöglich.

Tschernobyl vs Fukushima: Welcher Super-GAU war schlimmer?

Kurze Antwort: Tschernobyl war deutlich schlimmer, egal was man misst.

Tschernobyl hatte mehrere Baufehler, die heute undenkbar wären:

  1. Leistungsexkursion mit positivem Feedback
  2. brennbares Material im Reaktor, 1.200 Tonnen Graphit
  3. Reaktor in einer einfachen Fabrikhalle, ohne Containment

Durch 1. gab es eine Dampf-Explosion im Reaktor, welche Brennstoffe wie Plutonium und Spaltprodukte aus dem Reaktor in die Umgebung schleuderte. Durch 2. und 3. kam es zu einem Feuer, welches eine Woche lang brannte und für Fallout in halb Osteuropa sorgte.

In Fukushima hingegen gab es keine Explosion im Reaktor. Die Containments hielten, bis auf ein vermutetes Leck im Reaktor 2. Und es gab auch keinen Fallout durch ein Feuer. Deshalb wurden in Fukushima trotz dreifacher Kernschmelze nur ca. 10% der Radionuklide von Tschernobyl freigesetzt.

In Fukushima kam niemand durch direkte Strahlenfolgen um und die Dosen waren zu niedrig für Langzeitfolgen. In Tschernobyl starben rund 50 Menschen durch akute Strahlenkrankheit und die Anzahl der Todesfälle durch Langzeitfolgen wird auf bis zu 4.000 geschätzt. 16

Fukushima Ursache: Was ist 2011 im Atomkraftwerk passiert?

Kurze Antwort: Es kam zur Kernschmelze wegen einem Station-Blackout durch einen Tsunami.

Am 11. März 2011 um 14:46 Uhr begann das Tōhoku-Seebeben. Mit Stärke 9,1 war es das größte Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen in Japan. Es wurden Stromleitungen im ganzen Land gekappt und alle laufenden Kernreaktoren Japans fuhren automatisch herunter.

Keiner der mehr als 50 japanischen Reaktoren wurde durch das Erdbeben sicherheitsrelevant beschädigt. Abgeschaltete Reaktoren müssen aber tagelang gekühlt werden. Mit dem Ausfall des externen Stromnetzes übernahmen das in Fukushima Daiichi die 13 Dieselgeneratoren.

41 Minuten später traf der erste von sieben Tsunamis auf das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Die nur 5,7 Meter hohe Schutzmauer wurde von bis zu 14 Metern hohen Wellen überwunden. Wellenbrecher gab es nicht. Nicht einmal die Tür zum Maschinenraum mit der kompletten Notstromversorgung war wasserfest.

Fukushima Daiichi war ungeschützt gegen Hochwasser:

  1. Meerwasserpumpen geflutet, Ausfall der ultimativen Wärmesenke
  2. Schaltraum für Notstrom geflutet, Ausfall der Notstromversorgung
  3. Batterieräume geflutet, Ausfall der Gleichstromversorgung

Dadurch kam es zum Station-Blackout, dem kompletten Ausfall der Stromversorgung. Ohne Kühlung der Nachzerfallswärme stand eine Kernschmelze bevor. Die konnte weder von der Mannschaft, noch durch externe Helfer verhindert werden. Es kam zur Kernschmelze in den Reaktoren 1 bis 3.

Der Ausfall der ultimativen Wärmesenke hätte niemals passieren dürfen. Das allein kann zur Kernschmelze führen. Wenn dann noch die Mannschaft im Dunkeln sitzt und zufällig auf dem Parkplatz gefundene Autobatterien zusammenschließt um Messwerte aus dem Reaktor zu bekommen, dann gute Nacht…

Deutsche Kernkraftwerke sind gegen Jahrzehntausend-Hochwasser geschützt. Die mehrfach redundante Notstromversorgung ist gegen Wassereinbruch und Außeneinwirkungen verbunkert und auf mehrere Standorte verteilt. Es werden Brunnen als diversitäre Wärmesenke eingesetzt. 17

Fukushimas heute: Wie viel Radioaktivität ist noch übrig?

Kurze Antwort: Die radioaktive Kontamination ist zehn Jahre nach dem Unfall sehr gering.

Bei den ungefilterten Druckentlastungen in Fukushima Daiichi kam es zur Freisetzung von hauptsächlich Jod-131, Cäsium-134 und Cäsium-137. Insgesamt wurden aus den Reaktoren 1 bis 3 zwischen 100 PBq und 500 PBq Jod-Äquivalent freigesetzt. Das entspricht 22 bis 109 Gramm Jod-131. 18

Es wurden also nur wenige Esslöffel an Radioisotopen freigesetzt. Solche geringen Mengen können nur dann gesundheitsschädlich sein, wenn sie in die Nahrungskette gelangen. Deshalb war es in der Präfektur Fukushima sehr sinnvoll nach dem Unfall kontaminierte Nahrung aus dem Verkehr zu ziehen, insbesondere Milch und Blattgemüse.

Den größten Schaden beim Menschen richtet Jod-131 an, weil es sich durch Nahrungsaufnahme in der Schilddrüse konzentriert. Dadurch hat es eine viel längere biologische Halbwertszeit als andere Radioisotope. Die einzige bisher nachweisbare Langzeitfolge des Reaktorunfalls in Tschernobyl ist dann auch ein erhöhtes Risiko von Schilddrüsenkrebs bei Jugendlichen und Kindern. 19

Dank der kurzen Halbwertszeit von 8 Tagen, war nach 2 Monaten nur noch 1% des radioaktiven Jod-131 übrig. Heute spielt Jod-131 keine Rolle mehr. Die Umgebung des Kernkraftwerks ist heute aber noch mit langlebigem Cäsium-137 kontaminiert, insbesondere im Nordwesten. 20 Die verbleibende Dosis ist aber selbst in der Sperrzone sehr gering, deutlich unter der Hintergrundstrahlung in den Alpen. 21

Radionuklide im Ozean haben sich in kurzer Zeit sehr stark verdünnt. Sie sind längst nicht mehr messbar. 22 Die Strände sind zum Baden freigegeben.

Deutsche Kernkraftwerke wurden nach dem Unfall von Tschernobyl mit Ventilen zur gefilterten Druckentlastung nachgerüstet (Wallmann-Ventile). Beim Venting wird also kein radioaktives Jod und Cäsium in die Biosphäre freigesetzt. 23 Leider hat man in Japan auf diese Nachrüstung verzichtet.

Tritium: Wird wegen Fukushima Atommüll ins Meer geleitet?

Kurze Antwort: Der angebliche Atommüll ist dekontaminiertes Kühlwasser.

Es stehen heute auf dem Gelände von Fukushima Daiichi rund 1.000 Tanks mit dekontaminiertem Kühlwasser. Das soll nach und nach in den Pazifik geleitet werden. Atomkraftgegner sprechen davon, dass hier “Atommüll entsorgt wird“.

Der “Atommüll” wird allerdings lange vor der Einleitung in das Meer aus dem Wasser entfernt. Radioaktive Isotope von zum Beispiel Cäsium und Strontium werden ausgefiltert. Deswegen spricht man von DEkontaminierten Wasser, nicht von kontaminiertem Wasser.

Übrig bleibt allerdings der im Wasser gebundene Wasserstoff-3. Dieses sogenannte Tritium ist leicht radioaktiv. Es sind aber nur einige Gramm verdünnt in Millionen Litern Wasser. Das ist schon vor Verdünnung im Pazifik völlig unbedenklich für Meeresfauna und -flora. 24

Der japanische Parlamentsabgeordnete Yasuhiro Sonoda hat den Beweis der Unschädlichkeit sogar persönlich angetreten und angeblich “verstrahltes” Kühlwasser aus Fukushima getrunken.

Sperrzone: War die Evakuierung in Fukushima nötig?

Kurze Antwort: Die Evakuierung und Einrichtung einer Sperrzone war unnötig.

Zum Zeitpunkt des Unfalls wurde in großer Unsicherheit eine Evakuierung beschlossen. Heute wissen wir dank einer Lebenserwartungs-Analyse nach J-Value, dass die Evakuierung von rund 160.000 Menschen unnötig und kontraproduktiv war. 25

Wären die Bewohner nicht evakuiert worden, hätte man in den 5 am stärksten belasteten Orten eine Lebenszeitverkürzung von 8 bis 22 Tagen in Kauf nehmen müssen. In allen anderen Orten war eine Lebenszeitverkürzung von 1 bis 3 Tagen zu erwarten.

Gleichzeitig mussten alle Evakuierten mit einer deutlich höheren Lebenszeitverkürzung durch die sozioökonomischen Folgen der Evakuierung rechnen. Das gilt insbesondere für Langzeitevakuierte. Nur zwei Drittel sind 10 Jahre später überhaupt zurückgekehrt.

Man hat leider aus der größtenteils unnötigen zweiten Evakuierungswelle nach dem Unfall von Tschernobyl nichts gelernt. Dort hätten laut Lebenserwartungsanalyse rund 75% der 335.000 Evakuierten in ihren Häusern bleiben können.

Wichtig ist es also Konsequenzen für zukünftige Unfälle zu ziehen. Auch während dem Unfall muss es möglich sein nach dem Vorsorgeprinzip abzuwägen. Weil die Strahlenangst in den Medien aber immer noch geschürt wird, ist das auch beim nächsten Unfall sehr unwahrscheinlich.

Updates:

  • 17.03.2021: Erstmals veröffentlicht.
  • 11.03.2022: Aktualisiert mit eigenem Abschnitt zu Tritium.
  • 10.03.2023: Leicht überarbeitet zum Jahrestag

Quellen

  1. UNSCEAR 2020 Report UN-Expertenkommission für die Folgen radioaktiver Strahlung (2021)
  2. Health Impacts of Low-Dose Ionizing Radiation: Current Scientific Debates and Regulatory Issues Vaiserman et al (2018)
  3. Epidemiological research on radiation-induced cancer in atomic bomb survivors Ozasa (2016)
  4. Damage caused by the 2011- Earthquake and Tsunami Fukushima Prefectural Government (2019)
  5. Be Cautious with the Precautionary Principle Neidell et al (2019)
  6. Implications of energy and CO2 emission changes in Japan and Germany after the Fukushima accident Kharecha & Sato (2019)
  7. Der Reaktorunfall in Fukushima Daiichi Kerntechnik Deutschland e.V. (2019)
  8. Lessons Learned from the 2011 Great East Japan Tsunami Suppasri et al (2014)
  9. Fukushima zwei Jahre nach dem Tsunami Mohrbach (2013)
  10. Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I Reaktor-Sicherheitskommission (2011)
  11. Der Europäische Stresstest Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2012)
  12. Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel, Bundeswirtschaftsminister Brüderle und Bundesumweltminister Röttgen zur Nutzung der Kernenergie in Deutschland Mitschrift Pressekonferenz (2011)
  13. Framing Fukushima. Zur Darstellung der Katastrophe in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Frankreich und der Schweiz Kepplinger & Lemke (2014)
  14. Wie berichteten die Medien in Europa damals über das Fukushima-Unglück? MDR Interview mit Kepplinger (2021)
  15. Three Mile Island Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
  16. Chernobyl: the true scale of the accident Weltgesundheitsorganisation (2005)
  17. Nachwärmeabfuhrsysteme von Leichtwasserreaktoren Kerntechnischer Ausschuss (2015)
  18. spezifische Aktivität von Jod-131 ist 4.6 PBq/g BMU (2013)
  19. The Chernobyl accident UNSCEAR (2008)
  20. Distribution Map of Radiation Dose MEXT (2021)
  21. Fukushima, die Alpen und der Feinstaub Rüegg (2021)
  22. Radioactivity concentration in the seawater near Fukushima Dai-ichi NPP NRA (2021)
  23. Containment-Druckentlastung Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat (2014)
  24. Radioactive water at Fukushima Daiichi Brown (2018)
  25. J-value assessment of relocation measures following the nuclear power plant accidents at Chernobyl and Fukushima Daiichi Thomas et al (2017)

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