Ukrainekrieg: Russisches Erdgas kann durch Kernkraft ersetzt werden

Eine Laufzeitverlängerung der 6 deutschen Kernkraftwerke kann rund ein Viertel der russischen Gasimporte ersetzen.

Ende Februar versprach Wirtschaftsminister Habeck Laufzeitverlängerungen unserer letzten 6 AKW prüfen zu lassen, um russisches Gas zu ersetzen.

Nach aktuellem Stand dieser Prüfung, ist die Verlängerung aller 6 Kernkraftwerke technisch, gesetzlich, personell und wirtschaftlich möglich.

Die vorhandenen Brennstäbe haben genug Reserven für den nächsten Winter. Ein halbes Jahr Überbrückung ist dank Streckbetrieb und Notkern möglich.

Die 6 Kernkraftwerke können einen Großteil der Gasverstromung ersetzen. Wir verstromen gut ein Drittel der Menge Erdgas, die wir aus Russland importieren.

Die Verlängerung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken ist nicht irgendeine Maßnahme, sondern die signifikanteste heimische Sofortmaßnahme zur Reduktion von russischen Gasimporten.

In diesem Artikel geht es um 6 Einwände gegen eine Laufzeitverlängerung und warum diese nicht ziehen.

6 Einwände gegen das Ersetzen von russischem Gas durch AKW

Warum entscheidet die Politik nicht endlich eine Laufzeitverlängerung? Ein Auftritt von Habeck im ZDF bei Markus Lanz offenbart tiefe Wissenslücken des Wirtschaftsministers.

Nicht nur Habeck bringt immer wieder die gleichen Einwände gegen eine Substitution von russischem Erdgas durch deutsche Kernkraftwerke. Diese Einwände sind größtenteils substanzlos. Der 5. Einwand ist berechtigt, aber betrifft nur einen Teil der Gasverstromung.

Update Oktober 2022
Nach einer Akteneinsicht in 166 Dokumente der grünen Ministerien durch die WELT haben wir es schwarz auf weiß:
Wirtschaftsminister Habeck und das BMWI sowie Umweltministerin Lemke und das BMUV haben von Anfang an gelogen.

Leider hinter Paywall, hier ist eine Zusammenfassung auf Twitter.

Und hier ist die Recherche der WELT aufgegriffen in anderen Medien:

Weil das BMWK anders als das BMUV keine Akteneinsicht gewährt hat, wurden sie nun von Cicero verklagt. Mal schauen, wie lange der Streisand-Effekt auf sich warten lässt.

Hier die 6 häufigsten Einwände gegen eine Laufzeitverlängerung:

1. Einwand: Im Stromsektor lässt sich kein Erdgas sparen

Habeck äußerte diese Behauptung bei Markus Lanz im ZDF:

“Weil es ja bei Atomkraftwerken […] um Strom geht. Wir haben aber bei Gas und bei Öl gar kein Stromproblem, sondern ein Mobilitätsproblem und bei Gas eben ein industrielles und ein Heizproblem.”

Stimmt, ein Großteil unseres Gases setzen wir in Wärme und industrielle Prozesswärme um. Aber wir verstromen auch rund 197 TWhth Erdgas. 1 Das ist etwa ein Drittel der Menge, die wir aus Russland importieren. 2 (Beide Zahlen für 2020)

Es ist ein Nobrainer das knappe Erdgas nicht mehr in Gaskraftwerken zur Stromerzeugung zu verbrennen. Von den 197 TWh können wir bilanziell etwa zwei Drittel durch die 6 Kernkraftwerke ersetzen und den Rest durch Kohlekraftwerke.3

Ich schreibe bilanziell, weil wegen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nicht das gesamte Potential ausgeschöpft werden kann. Mehr dazu beim 5. Einwand im Abschnitt zu KWK.

Update Juni 2022
Mittlerweile macht die Gasverstromung einen noch höheren Anteil an russischen Gasimporten aus:

  • Die Gasverstromung in 2022 ist wider Erwarten auf Rekordwerten.4
  • Es wird immer mehr russisches Gas gedrosselt – von Russland wohlgemerkt, nicht von uns. 5

Die letzten offiziellen Zahlen auf die meine obige Berechnung fusst stammen von vor der Energiekrise. Stand Juli 2022 sind die russischen Gasimporte deutlich gefallen und der Anteil den die Kernkraft ersetzen könnte wäre entsprechend größer.

2. Einwand: Für den Winter 2022/2023 fehlen Brennstäbe

Habeck wiederholte bei Markus Lanz diese Falschbehauptung, obwohl sie bereits im März, kurz nach Erscheinen des Prüfvermerks widerlegt wurde:

“Man streckt die Atomkraftwerke über den nächsten Winter. Dann muss man sie im Sommer runterfahren / im Streckbetrieb fahren, weil die Brennelemente sonst bis Jahresende ausgebrannt sind.”

Das haben Habeck und seine Berater grundlegend falsch verstanden. Im Streckbetrieb können die Brennstäbe über ihre Auslegungsdauer hinaus zusätzliche Strommengen erzeugen.

Das ist deshalb möglich, weil bei einem Brennstoffwechsel in einem Konvoi-Reaktor nur ein Viertel der Brennelemente ersetzt werden. Drei Viertel des Brennstoffs bleibt sowieso im Kern. Und selbst das “ausgebrannte” Viertel hat noch Reserven.

Ein Präzedenzfall dafür ist das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in meiner Heimat Unterfranken. Für das Abschaltjahr 2015 wurden keine neuen Brennstäbe bestellt, wegen der später verfassungswidrig eingestuften Brennelementesteuer.

Sechs Monate lang lief Grafenrheinfeld also mit den alten Brennstäben: 67

  • 1. Januar: Erster Streckbetrieb auf voller Leistung
  • 2. Februar: Leistung fällt langsam von 1250 MW auf 1000 MW
  • 7. März: Revision um Brennelemente zu einem “Notkern” neu zusammenzusetzen
  • 26. März: Zweiter Streckbetrieb mit Notkern auf voller Leistung
  • 18. April: Leistung fällt langsam von 1250 MW auf 600 MW
  • 27. Juni: Endgültige Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld

Über diese 6 Monate holte Grafenrheinfeld aus den alten Brennstäben im Mittel 76% der Maximalleistung – inklusive dreiwöchiger Revision. Mit 6 Kernkraftwerken im Streckbetrieb können die Revisionen gestaffelt werden.

Mehr Infos zum Streckbetrieb in diesem Twitter-Thread. oder hier bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit.

Laut Aussage von Westinghouse in Schweden dauert es rund 6 Monate, bis neue Brennstäbe für die Konvoi-Reaktoren geliefert werden können. Wir könnten also theoretisch selbst am 31.12.2022 noch einen unterbrechungsfreien Betrieb für die 3 noch laufenden AKW gewährleisten.

Auch 5 Monate (!) später haben die Medien noch nicht verstanden, was der Unterschied zwischen Streckbetrieb (Ausnutzung von Reserven) und Teillastbetrieb (Spare im Sommer, verlängere im Winter) ist:

  • Deutschlandfunk: “Ein Streckbetrieb führe nur zu einer Verlagerung der Stromproduktion, nicht aber zu zusätzlichen Strommengen.”
  • Tagesschau: “Die Stromproduktion müsste jetzt schon gesenkt werden, damit der Brennstoff länger reicht.”
  • BILD: Streckbetrieb: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not

Ist das noch Inkompetenz oder ist das Absicht?

3. Einwand: Es fehlen Sicherheitsprüfungen bei deutschen AKW

Auch dies eine Behauptung von Habeck bei Lanz im ZDF:

“Dazu müssten wir sie aber nochmal tief durchprüfen, denn das sind sie seit 13 Jahren nicht getan worden.”

Die periodischen Sicherheitsanalysen (PSA) wurden in den letzten 13 Jahren ganz normal im Rahmen der jährlichen Revision durchgeführt. Es ist also keinesfalls so, dass die AKW seit 13 Jahren nicht geprüft wurden.

Was Habeck mit den 13 Jahren meint, ist die periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ). Diese Analyse findet normal alle zehn Jahre statt. Hier wird der grundsätzliche Stand der Technologie evaluiert um zu sehen ob die deutschen Kernkraftwerke alle international gängigen Sicherheitsauslegungen haben.

Die PSÜ wurde für Brokdorf und Gundremmingen C bereits durchgeführt. Es gab dabei keine nennenswerten Defizite laut Kerntechnik Deutschland. Kein Wunder, denn seit der letzten PSÜ aller 6 Kraftwerke im Jahr 2009 wurden im Jahr 2014 bereits Nachrüstungen infolge der Fukushima Stresstests vorgenommen.

Bei einer Laufzeitverlängerung müssten die PSÜs für Grohnde, Isar, Emsland und Neckarwestheim baldmöglichst gemacht werden. Das passiert betriebsbegleitend, also während dem Leistungsbetrieb und während der jährlichen Revisionen. Eine Pausierung ist nicht nötig.

Dass dies möglich ist bestätigt der TÜV Verband. Genauso wie in Brokdorf und Gundremmingen C sind keine signifikanten Maßnahmen zu erwarten laut Kerntechnik Deutschland.

4. Einwand: Kernkraftwerke sind nicht flexibel genug um Gas zu ersetzen

Diese Behauptung stammt nicht von Habeck oder den beiden Ministerien. Man hört besonders in den sozialen Medien oft eine Variante dieses Einwands:

“Kernkraftwerke können als unflexible Grundlastkraftwerke keine Lastfolge fahren und sind daher nicht in der Lage Gaskraftwerke zu ersetzen.”

Die Prämisse ist falsch. Deutsche Kernkraftwerke können schneller Lastfolge fahren als moderne GUD-Kraftwerke.8 Und 28 GW von unseren 32 GW Gaskraftwerken sind GuD-Kraftwerke. Die restlichen 4 GW sind hauptsächlich in der Netzreserve und fast nie in Betrieb.

Warum fahren Kernkraftwerke keine Lastfolge? Es gibt einfach keinen Grund ein Kernkraftwerk zu drosseln. AKW sind im Betrieb CO2-neutral und brauchen sehr wenig Brennstoff. Sie altern außerdem schneller im Lastfolge-Betrieb. Kernkraftwerke ersetzen GuD-Kraftwerke am besten, indem sie durchlaufen wie bisher. Die planbaren Lücken können Kohlekraftwerke füllen und für die unplanbaren Lücken brauchen wir geringe Mengen Gas.

Die 4 GW offene Gasturbinen können Kernkraftwerke nämlich tatsächlich nicht ersetzen. Kein anderes Kraftwerk kann das. Das muss aber auch nicht sein. Diese super schnell regelbaren Kraftwerke mit schlechtem Wirkungsgrad sind größtenteils in der Netzreserve und kommen nur in Ausnahmesituationen zum Einsatz.

Irsching Block 3 ist ein Beispiel für so ein Gaskraftwerk ohne Dampfturbine in der Netzreserve. Es kommt laut den blockscharfen Daten von Energy-Charts auf 0,3% Auslastung (Gesamtjahr 2020).9 Irsching 3 kann übrigens auch mit leichtem Heizöl, statt mit Erdgas betrieben werden.

5. Einwand: AKW können KWK-Gaskraftwerke nicht ersetzen

Eine weitere in sozialen Medien häufige Entgegnung lautet wie folgt:

“Drei Viertel der Gaskraftwerke können Fernwärme per Kraft-Wärme-Kopplung bereitstellen. Kernkraftwerke können das nicht.”

Stimmt, nur etwa 43 TWhel sind ungekoppelt10, also etwa die Hälfte der Gasverstrommung.

Aber ein Ein KWK-Kraftwerk kann Fernwärme auskoppeln, auch ohne mit Maximalleistung Strom zu erzeugen. So können die letzten 6 deutschen Kernkraftwerke auch ohne Fernwärmeanschluss die Stromerzeugung der KWK-Kraftwerke übernehmen.

Das Heizkraftwerk Marzahn versorgt meine Wohnung mit Wärme. Es ist ein Neubau von 2020 und speist flexibel zwischen 50 MW und 250 MW elektrisch ein.11 Fernwärme wird auch auf Teillast ausgekoppelt. Mein Kraftwerk ist außerdem nur eins von insgesamt 11 im Berliner Fernwärmenetz. Die Hälfte davon läuft mit Erdgas.

Dass sich mehrere Kraftwerke oder Kraftwerksblöcke ein Fernwärmenetz teilen ist normal. Insbesondere außerhalb der Heizsaison müssen nicht alle davon gleichzeitig laufen. Wenn die Regierung an einer Reduzierung der Heiztemperatur festhält, wird nicht einmal in der Heizsaison die maximale Wärmeleistung benötigt. Es kann also auch die elektrische Erzeugung gedrosselt werden.

Die Stromproduktion in einem KWK-Kraftwerk kann sogar auf Null gefahren werden, wenn es eine Reduzierstation hat. Auch ohne Reduzierstation kann zum Beispiel das Küstenkraftwerk Kiel die Stromerzeugung auf Null fahren, dank Wärmespeicher und Power-to-Heat. Mehrere deutsche Kraftwerke haben PtH als Zusatz/Alternative.

Dazu kommt noch, dass 3 Kernkraftwerke gerade noch aktiv sind und die anderen 3 bis Dezember 2021 aktiv waren. Für diese Kraftwerke gibt und gab es immer genug zu tun. Kein Wunder, wir haben im deutschen Netz rund 40 GW Grundlast. Die wird 24/7 nachgefragt, egal ob die Sonne scheint oder der Wind weht.

Im europäischen Verbundnetz ist die Grundlast noch deutlich größer und auch unsere Nachbarn wollen von russischem Ergas, Erdöl und Kohle loskommen. Das Anschalten von 8,2 GW Kernkraftwerken ist eine in Europa einmalige Gelegenheit, keine rein national deutsche Maßnahme.

Der Einwand mit der Kraft-Wärme-Kopplung ist berechtigt. Aber wir schütten das Kind mit dem Badewasser aus, wenn wir die Hälfte der Gasverstromung als nicht ersetzbar aufgeben. Ein Großteil der elektrischen Erzeugung dieser KWK-Kraftwerke lässt sich drosseln und durch Kernkraft ersetzen.

6. Einwand: Uran oder Brennstäbe kommen aus Russland

Die Aufklärung zu den anderen 5 Punkten scheint langsam zu wirken – zumindest auf Twitter. Dafür hört man in sozialen Medien nun immer häufiger einen neuen Hinderungsgrund: “Das für die Laufzeitverlängerung nötige Uran muss zwingend aus Russland kommen.”

Laut dem aktuellen “Red Book” der NEA von 2020 stammt nur 5% der Welturanproduktion aus Russland.12 Russland baut nur 2.900 Tonnen Uran pro Jahr ab, braucht aber für die Versorgung seiner eigenen Reaktoren 5.000 Tonnen Uran pro Jahr (S.95). Russland ist also Uranimporteur. Uran könnten wir aus Russland nicht einmal dann beziehen, wenn wir unbedingt wollten.

Nun müssen wir aber unterscheiden zwischen Uranerz und angereichertem Uran. Beim Anreichern von Uran hat Russland die meisten und die wohl günstigsten Anlagen. Es gibt aber genug Alternativen mit freien Kapazitäten. Selbst in Deutschland gibt es die Urananreicherungsanlage Gronau von Urenco. Selbst wenn die Anreicherung einige Prozente teurer ist als in Russland, macht das bei den Kosten pro Kilowattstunde kaum einen Unterschied.

Ein letzter wichtiger Punkt ist die Fertigung der eigentlichen Brennstäbe für die Verwendung in einem bestimmten Reaktortyp. Die Brennstäbe für WWER-Reaktoren sowjetischer Bauart in osteuropäischen Ländern kommen traditionell aus Russland. Das muss aber nicht so bleiben. Die Ukraine hat 2014 nach der Invasion der Krim auf Lieferungen von Westinghouse aus Schweden umgestellt.

Deutschland hat übrigens seinen letzten WWER-Reaktor 1990 nach der Wiedervereinigung stillgelegt. Die Laufzeitverlängerung von Konvoi-Reaktoren ist von dem WWER-Dilemma überhaupt nicht betroffen. Die Propagandaschlacht zu russischem Uran in deutschen Kernkraftwerken ist völlig absurd.

Es ist sowieso Irsinn so zu tun als würden Uranimporte und Gasimporte gleich schwer wiegen bei der Finanzierung von Putins Krieg. Die Energiedichte von Uran ist 5 bis 6 Größenordnungen höher als die von Erdgas. Mit einem Gramm Uran kann man 100.000 bis 1.000.000 Gramm Erdgas ersetzen (je nach Reaktortyp). Auch bei den Kosten pro Kilowattstunde gibt es mehrere Größenordnungen Unterschied.

Update Juli: Anfrage an BMWK und BMUV via FragDenStaat

Seit 4 Monaten (!) stehen Falschaussagen des Prüfvermerks unkorrigiert auf den Internetauftritten des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesministeriums für Umwelt.

Grund genug für mich eine Anfrage laut Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Solche Anfragen bündelt und veröffentlicht die Plattform FragDenStaat. Ich beschränke mich in der Anfrage auf 3 gut belegbare Sachfehler im Prüfvermerk:

  1. Verwechslung von Streckbetrieb (zusätzliche Strommengen) und Teillastbetrieb (Verlagerung von Strommengen)
  2. Verwechslung von PSÜ (betriebsbegleitend) und PSA (Stillstand)
  3. Verwechslung von Betriebsgenehmigung und Genehmigung zum Leistungsbetrieb

Meine erste Anfrage ging am 3. Juli an das Wirtschaftsministerium (BMWK), Mitverfasser des Prüfvermerks. Die Antwort ist überraschend:

“das BMWK ist hier leider nicht zuständig. Bitte wenden Sie sich an das BMUV und stellen dort Ihren IFG-Antrag erneut.”

Das Wirtschaftsministerium streitet die Verantwortung für den Prüfvermerk ab?

Meine nächste Anfrage vom 4. Juli ging also an des Bundesumweltministerium (BMUV). Es folgt am 7. Juli eine lange Antwort, in der es vor allem um die Entstehungsgeschichte des Prüfvermerks geht.

Erst der letzte Satz behandelt meine Frage:

“Im Ergebnis spiegelt der Prüfvermerk vom 7. März 2022 nach wie vor die Auffassung des BMUV wieder, eine Überarbeitung ist nicht vorgesehen.”

Das “Ergebnis” des Prüfvermerks ist die Ablehnung einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken. Bereits vor der Prüfung verkündete Umweltministerin Steffi Lemke das Ergebnis der Prüfung.

Niemand ist überrascht, wenn ein von Grünen geführtes Ministerium eine Laufzeitverlängerung kategorisch ablehnt. Es kann aber nicht sein, dass diese ideologische Ablehnung mit Falschaussagen begründet wird.

Ich habe deshalb in der ursprünglichen IFG-Anfrage vom 4. Juli eine zweite Frage gestellt, die leider nicht beantwortet wurde:

“Falls es keinen Zeitplan zur Korrektur gibt: Warum bleiben Falschaussagen unkorrigiert im Internetauftritt von BMUV und BMWK veröffentlicht und werden weiterhin von beiden Ministerien unkorrigiert öffentlich referenziert (z.B. in Presse-Interviews von Robert Habeck & Steffi Lemke)?”

Am 12. Juli habe ich diese Frage erneut gestellt. Eine Antwort darauf steht aus. Schauen wir mal, ob sie sich trauen die nicht erfolgte Korrektur von Falschaussagen begründen…

Update Juni 2022: Neue FAQ vom BMWK mit alten Falschaussagen

Die Prüfung einer Laufzeitverlängerung der 6 deutschen Kernkraftwerken haben die grünen Ministerien im 2. Quartal bewusst einschlafen lassen, trotz immer mehr Forderungen aus Politik und Wirtschaft. Putins Eskalation der Gaskrise Ende Juni hat die Debatte aber wieder entfacht.

Um den 22. Juni herum veröffentlichte daraufhin das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) eine undatierte FAQ um die Ablehnung der Laufzeitverlängerung zu begründen. Auch diese neue FAQ enthält wieder viele der gleichen Falschaussagen aus dem Prüfvermerk im März.

Im März konnte man das noch als “schlecht informiert” abtun. 3 Monate später ist das Verbreiten der immer gleichen Unwahrheiten keine Lappalie mehr. Entweder Habeck und sein Ministerium haben sich nicht mit dem Expertenwissen zur Laufzeitverlängerung beschäftigt oder sie lügen wissentlich.

Zum Beispiel haben die Leute im BMWK immer noch nicht verstanden, was mit Streckbetrieb gemeint ist. Sie behaupten frech, dass ohne Drosselung im Sommer die Brennelemente am 31.12.2022 um Mitternacht “abgebrannt” wären, obwohl sie dann noch Reserven für viele Monate Leistungsbetrieb haben.

Die FAQ enthält neben solchen Lügen zum Streckbetrieb die schon bekannten Falschaussagen zur PSÜ, zur Lieferzeit der Brennstäbe und zum Uran aus Russland. Statt endlich wie versprochen die “ideologiefreie Prüfung” der Laufzeitverlängerung durchzuführen, verbreitet das BMWK Lügen.

Neu in der FAQ sind außerdem zwei Punkte:

1. französische Kernkraftwerke

Was haben die Wartungsintervalle und Korrosionsprobleme französischer Kernkraftwerke mit der Laufzeitverlängerung der deutschen Rekordhalter in der Atomstromproduktion zu tun?

2. Cyberattacken

Warum sollen ausgerechnet von externen Netzwerken durch eine air gap getrennte Kernkraftwerke ein Problem mit Cyberattacken haben? Seit dem Ukrainekrieg wissen wir, dass Windräder die Stromerzeuger mit einem Cyber-Sicherheitsproblem sind.

Europäische Pläne zum Stopp russischer Gasimporte fordern Laufzeitverlängerung

Seit der Energiekrise 2021 ist die Mehrheit der Deutschen für die Laufzeitverlängerung der letzten 6 AKW.

Wir sind aber immer noch Außenseiter in der Kernkraft-Debatte. Im übrigen Europa ist die Meinung zur Kernkraft deutlich besser.

Gesamteuropäische Pläne zur Reduzierung russischer Gasimporte fordern eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke sogar explizit:

  1. Maßnahme 5 im 10-Punkte-Plan der IEA

    “Vier Kernreaktoren sollen bis Ende 2022 und ein weiterer 2023 abgeschaltet werden. Ein zeitweiliger Aufschub dieser Abschaltungen zur Gewährleistung des sicheren Betriebs könnte die Gasnachfrage in der EU um fast 1 Mrd. m3 pro Monat senken.”

  2. Maßnahme 4 im Plan Switch off Putin von RePlanet

    “Annahme dafür sind 3 Reaktivierungen von Kernkraftwerken und dem Aussetzen der Abschaltung von 3 weiteren Kernkraftwerken. Bei jeweils 10 TWh Stromerzeugung sind das 60 TWh Strom. Bei 50 % Wirkungsgrad der Gaskraftwerke entspricht das 120 TWh Erdgas, also rund 12 Mrd. m³ pro Jahr”

  3. Maßnahme “Higher use of existing plants” im Plan von Bruegel

    “A technically and politically difficult decision to delay the closure of German nuclear power plants in operation until the end of 2021 could free up another 120 TWh of gas.”

Es wird zunehmend schwieriger anderen Europäern zu erklären, warum Deutschland sich mit der Laufzeitverlängerung so schwer tut.

Fazit: Kernkraft kann russische Importe ersetzen

Eine Laufzeitverlängerung der 6 letzten deutschen Kernkraftwerke ist technisch, wirtschaftlich und gesetzlich möglich. Es gibt laut Umfragen seit der Energiekrise sogar eine gesellschaftliche Mehrheit dafür.

Die 6 Kernkraftwerke können einen signifikanten Teil der Gasverstromung ersetzen und zwar schon im nächsten Winter. Insgesamt verstromen wir gut ein Drittel so viel Gas, wie wir aus Russland importieren.

Für jede kWh Erdgas, die Kernkraftwerke nicht direkt ersetzen können, sparen sie alternativ russische Kohle ein. Oder sie helfen über das europäische Verbundnetz unseren Nachbarländern vom russischen Gas loszukommen. Kein anderes Land in Europa hat 6 große und moderne Kernkraftwerke als Ass im Ärmel.

Auch mittelfristig macht die Verlängerung Sinn. Die Stromnachfrage steigt durch Ausbau von Wärmepumpen, das Ausrollen der Elektromobilität und die Einführung einer Wasserstoffwirtschaft. Strom ist heute schon der flexibelste Energieträger. Das mach die Strom erzeugenden Kernkraftwerke flexibel einsetzbar. Es liegt jetzt an der Politik zügig die richtige Entscheidung zu fällen.

Medienecho zu Falschaussagen von Habeck & grünen Ministerien

Im Juli berichten endlich auch die Massenmedien geeint über Falschaussagen von Robert Habeck, Steffi Lemke und den grünen Ministerien BMUV & BMWK:

Und beim ZDF liest man nach 4 Monaten Hebeckschen Falschmeldungen, dass Habeck die Objektivität vermisst. Da hat wohl jemand 1984 als Handlungsanweisung verstanden…

Die Welt hat als einziges großes Medium bereits 4 Monate vor allen anderen über Falschaussagen der grünen Ministerien berichtet: Rechtlich unmöglich? Habecks Argumente gegen AKW-Weiterbetrieb weisen Schwächen auf

Andererseits verbreitet Die Welt selbst im September (!) noch Falschaussagen zu Streckbetrieb, Sicherheitsprüfungen, Brennstab-Lieferzeiten, Uranförderung und gesellschaftlicher Akzeptanz – unglaublich!

Habeck selbst ist nicht einmal auf dem Stand der Dinge, was den Verlauf der von ihm selbst angestoßenen Prüfung angeht. Am 1. April im ZDF bei Markus Lanz wiederholte er die seit Wochen widerlegten Behauptungen aus dem ursprünglichen Prüfvermerk. Er wiederholte Falschaussagen im Juni und im Juli.

Timeline: Stand von Habecks Prüfung zur Kernkraft Laufzeitverlängerung

Wo stehen wir bei der Prüfung der Laufzeitverlängerung der 6 deutschen Kernkraftwerke? Der zeitliche Verlauf bisher:

Der letzte Artikel von Anna-Veronika Wendland ist ein guter Abschluss für diese Timeline, wie auch schon ihr Artikel vom 1. März ein guter Start in die Timeline war.

Es ist derbe Wählererarschung, was Habeck und Lemke hier über 8 Monate hingelegt haben. Niemand darf sich wundern, wenn solcher Vertrauensmissbrauch die Bürger im kommenden Winter in die Hände von extremen Parteien treibt.

Auch das Spielen mit unserer Energieversorgung ist mindestens leichtsinnig, wenn nicht komplett verantwortungslos. Wenn Parteiinteressen über dem Wohl des Landes stehen, dann sollte die grüne Partei abgestraft werden.

Updates:

  • 05.04.2022: Erstmals veröffentlicht mit 5 Punkten.
  • 25.05.2022: Russisches Uran als 6. Punkt hinzugefügt.
  • 17.06.2022: Update zum Anteil der Gasverstromung an russischen Exporten (Punkt 1) und neuer Absatz zu den europäischen Plänen zur Reduzierung von russischem Erdgas
  • 25.06.2022: Neuer Absatz zur neuen FAQ des BMWK
  • 12.07.2022: Neuer Abschnitt am Ende zum Medienecho
  • 16.07.2022: Neuer Absatz zur Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz
  • 22.10.2022: Erst einmal letztes Update zur Timeline
  • 29.10.2022: Kleines Update zur Akteneinsicht der WELT

Quellen

  1. Tabelle 23 Energiedaten: Gesamtausgabe BMWI (2022)
  2. Imports of natural gas by partner country Eurostat (2021)
  3. Verhältnis erzeugter Strommengen Kernkraft/Erdgas im Jahr 2021 AGEB (2022)
  4. Gesamte Nettostromerzeugung in Deutschland im Mai Energy Charts (2022)
  5. Lagebericht Gasversorgung Stand: 17.06.2022 Bundesnetzagentur (2022)
  6. Nettostromerzeugung aus Kernenergie in Deutschland 2015 Energy-Charts (2021)
  7. Feststellung des zusätzlichen Reservekraftwerksbedarfs für das 1. Quartal 2015 Bundesnetzagentur (2014)
  8. Quo vadis, Netzstabilität? ATW (2021)
  9. Nettostromerzeugung aus Erdgas in Deutschland 2020 Energy-Charts (2022)
  10. DIW aktuell 84: Sonderausgaben zum Krieg in der Ukraine DIW (2022)
  11. Nettostromerzeugung aus Erdgas in Deutschland 2022 Energy-Charts (2022)
  12. Uranium Resources, Production and DemandNEA (2020)

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