Backup-Kraftwerke: Wasserstoff vs Carbon Capture vs Kernkraft

Deutschland muss für die Energiewende massiv Gaskraftwerke bauen. Warum eigentlich und welche günstigeren Alternativen gibt es?

In der Energiewende-Debatte klingt es oft so, als ob wir nur Wind und Solar ausbauen müssten.

Aber selbst mit den optimistischsten Erneuerbaren-Ausbauzielen können wir nie auf gesicherte Leistung verzichten.

Bei Dunkelflauten hilft nur eine zweite Energieinfrastruktur. Eine Schattenflotte aus Backup-Kraftwerken springt dann ein.

Es kommen mindestens 3 klimafreundliche Technologien als Backup in Frage: Wasserstoff, Carbon Capture und Kernenergie.

In Deutschland sind 2 (!) dieser 3 Klimaschutz-Technologien gesetzlich verboten. So viel zur “Technologieoffenheit”.

Durch den Verzicht auf AKW und Carbon Capture wird die Energiewende teurer. Ein Technologie-Mix wäre kostenoptimal.

Gesicherte Leistung: Warum Backup-Kraftwerke?

Nachts ist die solare Erzeugungsleistung immer Null, egal wie viel Photovoltaik es gibt. Und bei Windflaute liefern auch Millionen Windräder kaum Strom.

Während einer Dunkelflaute kann die Erzeugung durch Wind- und Solaranlagen auf nahe Null fallen.

Energiesysteme sind grundsätzlich auf den Worst Case ausgelegt. Es muss genug Backup-Kraftwerke geben, um die Nachfrage ohne Wind und Sonne decken zu können.

In Deutschland spricht man auch von “fehlenden Speichern”. Damit sind nicht Batterien gemeint, sondern Wasserstoffspeicher, siehe Exkurs am Ende des Artikels.

Die Wasserstoff-Kraftwerke und vor allem der Wasserstoff kosten natürlich. Die Betreiber schicken die Rechnung auf die eine oder andere Art an uns Verbraucher.

Und die Rechnung in Deutschland fällt deutlich höher aus als in allen anderen Ländern. Wir setzen nämlich auf eine Wasserstoff-Monokultur statt auf einen Technologie-Mix.

Welche gesicherte Leistung ist kostenoptimal?

Laut 6 zumindest teilweise auf Deutschland übertragbaren Studien zu einem kostenoptimalen Energiesystem stammt gesicherte Leistung aus: 123456

  • 38% (00%-74%) Gaskraftwerke für Erdgas mit Carbon Capture
  • 25% (11%-67%) Kernkraftwerke
  • 11% (01%-31%) Wasserkraftwerke
  • 05% (00%-42%) Gaskraftwerke für Wasserstoff
  • 03% (00%-11%) Kraftwerke für Biomasse
  • 01% (00%-04%) Geothermie

Diese Zahlen sind der Median (und die Spanne) aus den 6 internationalen Studien zu einem kostenoptimalen und klimaneutralen Energiesystem.

Für die deutsche Energiewende ist der Balken orange, bis auf eine kleine grün-blaue Ergänzung. Wir gehen in einem nationalen Alleingang “All In” auf Wasserstoff, der Großteil davon importiert. 7

Alle kostenoptimalen Kapazitätsmixe setzen Kraftwerke für teuren Wasserstoff hingegen nur zurückhaltend oder gar nicht ein. In keiner der Studien soll Wasserstoff importiert werden.

Man hört auch von keinem anderen Land außer Deutschland, welches Wasserstoff signifikant speichern oder gar importieren will. Den Wasserstoff-Hype scheint es nur bei uns zu geben.

Kostensenkungen mit Carbon Capture & Kernkraft

Laut der wissenschaftlichen Literatur stammt die gesicherte Leistung vorzugsweise aus Kernkraftwerken und mit Erdgas betriebenen Gaskraftwerken. Zu geringen Anteilen sind auch Wasserkraft, Biomasse und Geothermie sinnvoll.

Mit einem kostenoptimalen Technologiemix lassen sich laut den oben genannten 6 Studien im Median 28% der Kosten einsparen im Vergleich zu der in Deutschland geplanten Monokultur aus Wasserstoff-Kraftwerken.

Die CO2-Emissionen fossiler Erdgaskraftwerke müssen durch Carbon Capture and Storage entfernt werden. Bei häufig laufenden Gaskraftwerken geschieht das direkt per Filter aus dem Abgasstrom. Allam-Fetvedt-Turbinen scheiden das CO2 sogar hochkonzentriert ohne Filter ab.

Bei wenigen Volllaststunden ist Direct Air Capture aus der Atmosphäre günstiger. Das Filtern und Speichern von CO2 aus der Luft wird von vielen Modellen als dominierende Alternative zu den ebenfalls selten eingesetzten Wasserstoff-Kraftwerken gesehen.

Einsatzbereit ist Carbon Capture aus dem Abgasstrom noch nicht, egal ob per Filter oder Allam-Cycle-Turbine. Noch weiter von der Marktreife sind Direct Air Capture und Wasserstoff-Kraftwerke entfernt. Auch die nötige Wasserstoff- und CO2-Infrastruktur muss erst erprobt werden.

Die Kosten von nicht ausgereiften Technologien sind unklar. Das Risiko für Zeitverzögerungen und Investitionsruinen sind sehr hoch. Besonders bei Direct Air Capture und Wasserstoff sind aktuelle Rückschritte wenig ermutigend.

Die einzige erprobte klimafreundliche Technologie, die eine Versorgung rund um die Uhr ermöglicht ist die Kernenergie. Kernkraftwerke sind aber keine Backup-Kraftwerke, sondern eine vollwertige, selbstständige Lösung für versorgungssicheren Strom.

Kraftwerkstypen: Firm vs Fast Burst vs Fuel Saver

Wind und Solar liefern kaum gesicherte Leistung. Sie sind “Fuel Saver” für konventionelle Kraftwerke. Aber auch diese Kraftwerke unterscheiden sich grundlegend anhand ihres Einsatzzwecks.

Sepulveda et al unterscheidet zwischen zwei maßgeblichen Typen konventioneller Kraftwerke: 8

  1. Firm Low Carbon (Grundlastkraftwerk)
    Kraftwerke, die zuverlässig und über lange Zeiträume Energie liefern können
  2. Fast Burst (Spitzenlastkraftwerk)
    Kraftwerke, die kurzfristig zur Ausbalancierung von Angebot und Nachfrage einspringen

Wasserkraftwerke können je nach Größe ihres Reservoirs in jede der Kategorien fallen. Die in Deutschland üblichen Laufwasserkraftwerke ohne Reservoir sind nur “Fuel Saver”.

Kernkraftwerke, Geothermie und Biomasse sind laut Sepulveda et al typische “Firm Low Carbon”-Grundlastkraftwerke, die möglichst ununterbrochen laufen. Die Schweizer sagen auch “Bandenergie”.

Gaskraftwerke mit Wasserstoff oder Direct Air Capture sind wegen ihrer hohen Kosten pro erzeugter Kilowattstunde typische “Fast Burst”-Spitzenlastkraftwerke. Man nennt sie auch “Peaker-Plants”.

Auch Batterien, Pumpspeicher und flexible Lasten gehören wegen ihrer begrenzten Kapazität zu “Fast Burst”. Bei aktuellen Preisen lohnen sich Batterien aber nur für Regelenergie.

Fossile Kraftwerke mit CCS sind laut Sepulveda et al “Firm Low Carbon”-Grundlastkraftwerke. Sie können laut Baik et al9 aber auch eine “Fast Burst”-Rolle spielen. Ihre Vielseitigkeit bedeutet, dass sie in keiner Rolle überragen.

Deutscher Alleingang: Wasserstoff statt Kernkraft & Carbon Capture

Deutschland verzichtet aus ideologischen Gründen auf “Firm Low Carbon”-Grundlastkraftwerke. Das bedeutet, dass wir deutlich mehr der beiden anderen Kraftwerkstypen ausbauen müssen.

Technisch spricht nichts dagegen. “Fast Burst”-Wasserstoff-Kraftwerke können auch mehrere Wochen am Stück laufen. Das wird dann aber bei längeren Dunkelflauten sehr teuer.

Umso wichtiger werden “Fuel Saver”. Deutschland muss etwa doppelt so viel Wind und Solar ausbauen, wie im kostenoptimalen Szenario mit CCS und AKW statt Wasserstoff.

Die Mehrkosten ohne CCS und AKW entstehen also nicht hauptsächlich durch den Zusatzbedarf an Wasserstoff, sondern durch die Verdopplung des Wind- und Solarausbaus, siehe Szenarienvergleich von RTE.10

Auch beim Netzausbau lässt sich mit weniger verbrauchsfernen Windrädern und Solarparks viel Geld sparen. Und nicht zuletzt braucht man nur einen Bruchteil der teuren Batterien.

Für Deutschland wären diese Extrakosten für mehr Wind und Solar, Netzausbau und Batterien noch höher als für Frankreich, wegen der schlechten deutschen Standortfaktoren für Wind und Sonne.

Die Lösung der deutschen Energiewende-Studien ist eine signifikante Importabhängigkeit. Die Kosten dafür sind höher als für die Importunabhängigkeit mit Kernkraftwerken.

Fazit: 3 teure Alleingänge der deutschen Energiewende

Die deutsche Energiewende setzt im internationalen Vergleich auf einen Alleingang mit 3 Merkmalen:

  1. keine Kernkraftwerke
  2. kein Carbon Capture
  3. Importabhängigkeit

Drei folgt zwangsläufig aus eins und zwei, wegen schlechter deutscher Standortfaktoren und fehlender Ausbaupotentiale für Wind und Solar.

Dieser Alleingang der deutschen Energiewende verursacht deutliche Mehrkosten gegenüber einem kostenoptimalen Technologieemix.

Warum verzichten wir ohne Not auf Carbon Capture und vollziehen einen kostenintensiven Atomausstieg?

Der Weltklimarat empfiehlt übrigens beide Technologien. Beide Technologien sind in der EU-Taxconomie für nachhaltige Investitionen.

Die Blindheit gegenüber dem internationalen Konsens und kostenoptimalen Lösungen scheint hauptsächlich ideologisch getrieben.

Können wir uns teure Ideologien in der Energiewende wirklich leisten?

Exkurs: Lastverschiebung mit Batterien, Pumpspeichern & flexible Lasten

Die meisten Menschen denken bei Stromspeichern an Batterien und Pumpspeicher. Deren Kapazität ist aber um Größenordnungen kleiner als die von Wasserstoff-Speichern.

Batterien und Pumpspeicher helfen trotzdem durch das sogenannte Peak-Shaving. Das ist eine Lastverschiebung innerhalb eines Tages, um Spitzen zu glätten.

So lässt sich zum Beispiel die abendliche Verbrauchsspitze nach Sonnenuntergang in die Mittagsstunden verschieben, wenn Solaranlagen maximal liefern.

Auch flexible Lasten (Demand Response) fallen in den Bereich Lastverschiebung. Man bezahlt Großverbraucher, damit sie bei Stromengpässen ihre Produktion pausieren.

Die Lastverschiebung kann Kosten und sogar ganze Kraftwerke einsparen. Aber in der öffentlichen Diskussion wird die Bedeutung von Batterien stark überbewertet.

Es ist völlig egal, welche “Batterie-Tsunamis” noch kommen: Batterien können den Kohleberg neben dem Kohlekraftwerk nicht annähernd ersetzen. Das können nur Wasserstoff und Synfuels.

Quellen

  1. Power System Expansion Poland Quantified Carbon (2023)
  2. Energetische Zukunftsperspektiven 2050 RTE (2021)
  3. What is different about different net-zero carbon electricity systems? Baik et al (2021)
  4. Powering Decarbonization: Strategies for Net-Zero CO2 Emissions EPRI (2021)
  5. Carbon-Neutral Pathways for the United States Williams et al (2021)
  6. Net-Zero America: Potential Pathways, Infrastructure, and Impacts Princeton (2021)
  7. Exemplarisch für Energiewende-Studien: Klimapfade 2.0 BCG/Prognos (2021)
  8. The Role of Firm Low-Carbon Electricity Resources in Deep Decarbonization of Power Generation Sepulveda et al (2018)
  9. What is different about different net-zero carbon electricity systems? Baik et al (2021)
  10. Energetische Zukunftsperspektiven 2050 RTE (2021)

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