Optimaler Energiemix für Net Zero: Wind, Solar, AKW & CCS

Die deutsche Energiewende ist ein teurer Alleingang. Warum und wie teuer?

Die deutsche Energiewende setzt fast ausschließlich auf Solarenergie, Windenergie und Wasserstoff.

Warum beschränken wir uns? Wäre es nicht besser, alle klimafreundlichen Energieträger zu nutzen?

Warum verzichten wir auf Kernkraftwerke und heimisches Fracking-Gas mit Carbon Capture – ohne CO2-Emissionen?

Beide Technologien sind bei uns verboten und werden in Energiewende-Studien nicht berücksichtigt.

Zum Glück betrachten außerhalb der deutschen Bubble viele Studien diese und weitere Technologien.

Nach Sichtung von mehr als 50 dieser Studien ist das Ergebnis recht eindeutig:

Ein kostenoptimaler Energiemix in Deutschland ist nur möglich mit AKW UND Carbon Capture.

Warum versagt die Energiewende-Forschung bei der Kostenoptimierung so ausdauernd?

Deutsche Mehrkosten: Was kostet der Verzicht auf CCS & Kernkraft?

Der deutsche Verzicht auf Kernkraftwerke und Erdgaskraftwerke mit Carbon Capture führt zu signifikanten Mehrkosten.

Zu diesem Schluss kommen 6 internationale Studien, die annähernd auf Deutschland übertragbar sind.

Ohne Carbon Capture und Kernkraft kostet die Energiewende deutlich mehr: 123456

  • 133% für die USA in Princeton (Szenario E+RE- vs E+RE+)
  • 133% für die USA in Williams et al (Szenario Central vs 100% Renewable)
  • 131% für Frankreich in RTE (Szenario N03 vs M0)
  • 124% für den Westen der USA in Baik et al (Szenario ReBCNF vs ReBS, GenX)
  • 119% für Polen in Quantified Carbon (Szenario Base vs no nucl. no CCS)
  • 108% für die USA EPRI (Szenario CF 2050 vs 100R 2050)

Das sind im Mittel 27% Mehrkosten des deutschen Alleingangs durch den Verzicht auf Carbon Capture, Fracking und Kernkraft.

Alle 6 Studien vergleichen ein kostenoptimiertes Szenario (100% Kostenniveau) mit den Kosten eines Szenarios ohne AKW und CCS.

Untersucht wurden sogar mehr als 50 Studien, von denen aber die allermeisten einauf Deutschland übertragbares kostenoptimales Energiesystem nicht realistisch modellieren. Die Auswahlkriterien stehen am Ende des Artikels.

Deutschland könnte also mit 3 Gesetzesänderungen knapp ein Viertel der Gesamtkosten der Energiewende einsparen:

  1. Die Stromerzeugung in Kernkraftwerken ist seit einer grün-roten Gesetzesänderung vom 22. April 2002 verboten. 7
  2. Die Erschließung von unkonventionellen Erdgas-Vorkommen per Fracking ist in Deutschland verboten. 8
  3. Die Abscheidung von CO2 aus Gaskraftwerken ist auch nach der CCS-Revision von 2024 politisch ungewollt. 9

Aber siehe selbst, wie stark die deutsche Energiewende sich von kostenoptimalen Energiemixen unterscheidet:

Kostenoptimaler Energiemix: Beste Anteile klimafreundlicher Energie

Die für die Kosten wichtigste Frage in jedem Energiesystem ist:

Wo kommt die nachgefragte Energie her?

Laut den 6 Studien stammt klimaneutrale Energie kostenoptimiert aus:

  • 25% (03%-40%) Kernkraftwerke
  • 24% (10%-67%) Windräder onshore und offshore
  • 11% (03%-35%) Solar Photovoltaik
  • 09% (04%-39%) Erdgas mit Carbon Capture
  • 06% (01%-20%) Biomasse für Industrie/Transport
  • 03% (01%-08%) Wasserkraftwerke
  • 00% (00%-04%) Geothermie & Umweltwärme
  • 00% (00%-00%) Wasserstoff & Synfuel Importen

Die Zahlen sind der Median (und die Spanne) aus den oben genannten 6 Studien zu einem kostenoptimalen, klimaneutralen Energiesystem.

Die Kernkraft spielt mit einem Mittelwert von 25% eine große Rolle in einem kostenoptimalen Energiemix dank niedriger Brennstoffkosten und hoher Verfügbarkeit.

Darauf folgen Windräder mit 24% und Solaranlagen mit 11%. Diese beiden Erzeuger sind zwar nur wetterabhängig verfügbar, aber sie haben keine Brennstoffkosten.

Der Wasserkraftanteil ist in Ländern wie Deutschland nicht durch die Kosten, sondern durch Standortfaktoren begrenzt. Der Anteil wurde deshalb im Auswahlverfahren begrenzt.

Ein Großteil dieser Primärenergie dient zur Erzeugung von Elektrizität. Für Wärme und Transport werden aber auch Erdgas, Geothermie und Biomasse direkt genutzt.

Um Strom und Primärenergie in der Energiebilanz vergleichen zu können, wird das Substitutionsprinzip verwendet mit einem Primärenergiefaktor von 2,5. 10 Abwärmeverluste werden also herausgerechnet. Stromäquivalente wären eine Alternative, aber das Substitutionsprinzip ist geläufiger.

Deutsche Übersetzung der Wasserstoffleiter – CC-BY 3.0 Michael Liebreich, Wolf-Peter Schill, Martin Kittel

Wasserstoff & Synfuels: Import oder Speicher?

Jedes der Szenarien verwendet Wasserstoff, Synfuels und auch Batterien. Diese tauchen aber nicht im Primärenergiemix auf, da sie nur als Energiespeicher dienen. Sie sind genau wie elektrischer Strom keine Primärenergieträger.

Es wird stattdessen der Primärenergieträger gezählt, der den Strom erzeugt, aus dem dann per Elektrolyse klimaneutraler Wasserstoff und klimaneutrale Synfuels erzeugt werden. Diese Bilanzierung ist 100% analog zum elektrischen Strom.

Deutschland setzt indes auf massive Importe von Wasserstoff und Synfuels. 11 Die müssen in einem aussagekräftigen Primärenergiemix auftauchen, auch wenn sie keine Primärenergieträger sind.

Die Importe werden hier analog zu Strom berücksichtigt mit dem Primärenergiefaktor. Dazu kommen 60% Wirkungsgrad bei Erzeugung/Transport/Speicherung. Viele Energiewende-Studien lassen diese Konversion zur Primärenergie leider weg. Sie rechnen die Importe um den Faktor 4 (!) kleiner als sie tatsächlich sind.

Wer nur den Energiegehalt ab der Landesgrenze berücksichtigt, ignoriert nämlich alle Umwandlungsverluste. Uns interessiert aber der tatsächliche Aufwand von Primärenergieträgern bei der Erzeugung. Die Frage ist: Wieviel Energie müssten wir einsetzen um Wasserstoff und Synfuels in Deutschland zu erzeugen?

All diese Umwandlungsverluste treiben auch die Kosten von klimaneutralen Brennstoffen auf ein Vielfaches fossiler Brennstoffpreise. Sie werden deshalb in einem optimierten Energiemix kaum rückverstromt. Selbst Wasserstoff-Junkie Deutschland will mit H2 nur gut 5% des Strombedarfs decken.

Wasserstoff, Synfuels und auch Biomasse werden stattdessen verwendet für schwer elektrifizierbare Industrieprozesse, die chemische Industrie und auch für Flugzeuge und Schiffe – siehe Diagramm “Wasserstoff-Leiter”.

Deutschlands Alleingang: Importunabhängig? Nein Danke!

Der größte Alleingang Deutschlands beim Energiemix besteht darin, dass wir auf eine enorme Menge an Importen setzen, vor allem in Form von Synfuels und Wasserstoff.

Viele Länder streben mit der Dekarbonisierung auch eine weitestmögliche Importunabhängigkeit an. Die deutsche Energiewende hingegen hält uns langfristig abhängig von Energie-Importen.

Die Importabhängigkeit ist eine direkte Folge des Kernkraftverbots. Ohne AKW könnte das sonnenarme und windarme Deutschland nur mit außerordentlichem Aufwand importunabhängig werden.

Uns fehlt in Deutschland schlicht und einfach das ausreichende Ausbaupotential für Flächenfresser wie Windräder, Solaranlagen und vor allem für Energiepflanzen (Biomasse).

In puncto Flächenverbrauch sind die 6 Studien allerdings keine guten Ratgeber. 4 davon betrachten die dünn besiedelten USA, mit doppelt so guten Standortfaktoren für Wind und Solar.

Die USA hätten sogar die Möglichkeit, eine Energiewende nach deutschem Vorbild ohne Importe durchzuziehen. Wirtschaftlich wäre das aber nicht. Alle 4 US-Studien setzen auch auf Kernkraft.

“Atomkraft, nein danke” heißt für Deutschland zwangsläufig “Importunabhängig, nein danke”. Dieser klare Zusammenhang wird in der Energiewende-Debatte einfach totgeschwiegen.

Es fehlen deutsche Studien zu AKW, CCS & Importunabhängigkeit!

Die 6 hier verwendeten Studien sind sicher nicht perfekt:

  • mit 4 US-Studien starker Bias – halbe Gaspreise und doppelt so gute Standortfaktoren für Solar und Wind
  • nur 3 der Studien stammen aus der Hochschulforschung, der Rest von Think-Tanks mit unbekannter Agenda
  • nur 2 der Studien sind in Journals mit Peer-Review erschienen

Das ist aber immer noch besser als bei den Energiewende-Studien, auf die sich die deutsche Politik verlässt. Die stammen ausschließlich von Think-Tanks. Und soweit ich weiß, ist keine einzige davon peer-reviewed. Sie rechnen außerdem gerne ihre Ergebnisse schön, z.B. die zur Importabhängigkeit.

Energiewende-Studien sind obendrein nicht ergebnisoffen. Es gibt keine Szenarien mit Kernkraft, Carbon Capture oder ohne Importabhängigkeit – nicht einmal als kleine Sensitivitätsanalyse, versteckt im Anhang der Studie.

…noch nicht!

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Fazit: Die deutsche Energiewende setzt auf teure Alleingänge

Im internationalen Vergleich der Länder mit kleinem Wasserkraft-Potential steht Deutschland allein da:

  1. keine Kernkraftwerke
  2. keine Erdgaskraftwerke mit Carbon Capture
  3. Importabhängigkeit bei Wasserstoff und Synfuels

Diese Alleingänge der deutschen Energiewende verursachen signifikante Mehrkosten gegenüber einem kostenoptimalen Energiemix.

Energiewende-Studien versagen hier auf ganzer Linie, weil überhaupt keine Szenarien mit AKW, CCS oder Importunabhängigkeit betrachtet werden.

Wir brauchen einen wissenschaftlich hinterlegten optimalen Energiemix für Deutschland statt der teuren und umweltschädlichen Energiewende.

Exkurs: Auswahlverfahren für 50+ Studien zum optimalen Energiemix

Dieser Artikel ist der arbeitsintensivste in 4 Jahren Tech-for-Future und wird es höchstwahrscheinlich auch bleiben. 50+ Studien zu finden, zu lesen und zu verstehen, kostet sehr viel Zeit.

Diese 53 Studien mussten folgendes Auswahlverfahren durchlaufen:

  1. Vernünftiger Anteil Kernkraft
    4 Studien (Aunedi et al 2023, Pickering et al 2022, Kan et al 2020, Hong et al 2018) erlauben nur einen winzigen Anteil Kernkraft, eine nur 100% Kernkraft (Idel 2022) und eine beides zusammen (Thellufsen et al 2024).
  2. Auf Deutschland übertragbar
    3 Studien zu Finnland (Koivunen & Hirvijoki 2024, Koivunen et al 2021, Olkkonen et al 2018) und 2 zur Schweiz (Schwarz et al 2023, Pattupara & Kannan 2016) fallen wegen des hohen Anteils an Wasserkraft raus. 3 weitere betrachten Mikronetze (Woo Son et al 2021, Epiney et al 2020, Sabharwall et al 2015).
  3. Klimaneutrale Energieversorgung
    7 größtenteils ältere Studien fallen raus, weil es kein klimaneutrales Szenario gibt (Teirilä 2020, Seck et al 2020, OECD-NEA 2019, Martín-Gamboa et al 2019, Kemfert et al 2017, Ruth et al 2014, Jägemann et al 2013).
  4. Wasserstoff wird berücksichtigt
    9 Studien bieten keine Vergleichbarkeit mit der deutschen Energiewende, weil H2 ausgenommen ist (Duan et al 2022, Brown & Botterud 2021, Fälth et al 2020, Zappa et al 2019, Luderer et al 2019, Sepulveda et al 2018, MIT Energy Initiative 2018, Reichenberg et al 2018, Pfenninger & Keirstead 2015).
  5. Netzausbau ist modelliert
    10 Studien gehen vom Netz als Kupferplatte aus und berücksichtigen weder Kosten noch Engpässe beim Übertragungsnetz und Verteilnetz (Mahmoudi et al 2024, Cárdenas et al 2023, Haley & Jones 2023, Bryan et al 2023, Stein et al 2022, Fattahi et al 2022, Shirizadeh & Quirion 2021, DeAngelo et al 2021, Energy Systems Catapult 2020, Hong et al 2019).
  6. Jahreskosten sind ausgewiesen
    4 Studien weisen nur die Kosten der Transformation aus, aber nicht die Jahreskosten des fertigen Energiesystems (Price et al 2023, Pietzcker et al 2021, Cole et al 2021, UK Department for Energy Security 2020).
  7. Kapitalkosten sind realistisch
    Eine Studie geht von extrem hohen Kosten für Kernkraft und extrem niedrigen Kosten für Solar aus (Victoria et al 2020), die zweite Studie genau umgekehrt (Matsuo et al 2020). Die dritte Studie macht die Annahmen zu den Kapitalkosten erst gar nicht transparent (Brouwer et al 2015).

47 Studien sind an einer oder mehrerer dieser Hürden gescheitert. Die verbleibenden 6 Studien finden sich unter dem Artikel im Quellenverzeichnis [1]-[6].

Den besten Eindruck von diesen 6 macht mir Baik et al. Das peer-reviewte Paper verwendet nicht ein Modellierungs-Framework, sondern gleich 3 (GenX, urbs & Resolve). Dazu gibt es weitere Sensitivitätsanalysen und eine tolle Datentransparenz. Bei den Sensitivitäten ist auch die Princeton-Studie vorbildlich mit ihrem 71-seitigen “Annex B”.

Natürlich kann man die Auswahlkriterien noch beliebig verschärfen. Ganz genau genommen ist aber hinsichtlich der Standortfaktoren (Gaspreise, Wasserkraft, Windverhältnisse, Sonnenstunden, Bevölkerungsdichte) nur die Studie für Polen auf Deutschland übertragbar.

Teilweise heben sich mehrere Fehlannahmen auch gegenseitig auf. Zum Beispiel ist in den US-Studien die Verfügbarkeit von Wind und Sonne für deutsche Verhältnisse viel zu hoch angesetzt. Andererseits sind dort auch die Kosten von AKW-Neubauten mit 5.000-6.000 $/KW OCC eher zu niedrig angesetzt.

Mir war es wichtig, mehrere teilweise stark unterschiedliche Pfade zu betrachten. Auf Tech-for-Future soll es schließlich keine solchen Denktabus geben wie in der deutschen Energiewende-Forschung. 😉

Quellen

  1. Power System Expansion Poland Quantified Carbon (2023)
  2. Energetische Zukunftsperspektiven 2050 RTE (2021)
  3. What is different about different net-zero carbon electricity systems? Baik et al (2021)
  4. Powering Decarbonization: Strategies for Net-Zero CO2 Emissions EPRI (2021)
  5. Carbon-Neutral Pathways for the United States Williams et al (2021)
  6. Net-Zero America: Potential Pathways, Infrastructure, and Impacts Princeton (2021)
  7. § 7 Abs. 1 Atomgesetz Bundesamt für Justiz (2023)
  8. Fracking BMWK (2024)
  9. Kabinett macht Weg frei für CCS in Deutschland BMWK (2024)
  10. Princeton verwendet einen PEF von 2,3 statt 2,5 – das macht kaum einen Unterschied und wurde nicht normalisiert
  11. Exemplarisch für Energiewende-Studien: Klimapfade 2.0 BCG/Prognos (2021)

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