Lügen mit Zahlen: Wie bei der Energiewende getrickst wird

Zahlen zur Energieversorgung sollen objektiv die Wirklichkeit abbilden. Mit diesen 5 Rechentricks tun sie das sicher nicht.

“Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe” soll Winston Churchill gesagt haben. (oder nicht?)

Wenn du eine Weile auf #energytwitter und anderen sozialen Medien verbringst, verstehst du was gemeint ist.

Bilden Statistiken objektiv die Wirklichkeit ab? In der Energieversorgung: sicher nicht.

Es gibt unzählige Wege die Energiewende schön oder schlecht zu rechnen.

Hier sind 5 der häufigsten Rechentricks, wie mit Zahlen gelogen wird.

Deutungshoheit: Wie steht es um die Energiewende?

Gegner und Befürworter rechnen sich die Energiewende so schön oder so schlecht, wie sie es brauchen. Besonders heftig wird das am Beispiel der Anteile von Wind und Solar in Deutschland im obigen Diagramm.

Die verschiedenen Balken im Diagramm liefern völlig unterschiedliche Anteile von Wind und Solar. Mit der Auswahl des politisch passenden Balkens lässt sich fast jede Aussage belegen – und auch ihr Gegenteil.

Solche Schummeleien sind längst zum Alltag geworden. Selbst Universitätsprofessoren sind sich dafür nicht zu schade. Diese beiden bekannten Provokateure rechnen sich Wind und Solar mit installierter Nennleistung schön:

  • Prof. Stefan Krauter auf Twitter: 1 2 3
  • Prof. Volker Quaschning auf Twitter: 1 2 3

Energiewende-Gegner halten mit eigenen Zahlen dagegen. Regelmäßig wird von Windkraftgegnern argumentiert, der deutsche Windanteil läge nur bei 4%. Diese Zahl ist Ergebnis einer Berechnungsmethode, die Wind und Solar extra schlecht rechnet.

Die Fronten der Energiewende-Diskussion sind in Deutschland extrem verhärtet. Die faire Berechnung des Energiemix nach Substitutionsprinzip nutzt fast niemand im öffentlichen Diskurs.

1. Primärenergie nach Wirkungsgrad statt nach Substitution

Wer lügt damit: Energiewende-Gegner

Gegner der Energiewende rechnen gerne den Anteil von Wind und Solar klein. Im folgenden Video nutzt Stefan Aust dazu die Primärenergie nach Wirkungsgradprinzip. Ulrike Herrmann korrigiert Aust, aber nutzt die kaum bessere Endenergie.

Es ist nicht so, dass die Zahlen falsch wären – die Hochrechnung auf 300.000 Windräder mal ausgenommen. Die Werte stimmen, aber verzerren die Wirklichkeit.

Bei der Primärenergie nach Wirkungsgradmethode und auch bei der Endenergie werden wetterabhängige Erzeuger benachteiligt. Wind, Solar und Wasserkraft werden um einen Faktor von rund 3 schlechter gewichtet als Diesel und Benzin.

Bei der fairen Primärenergiebetrachtung nach Substitutionsmethode werden alle Erzeuger gleich gewichtet, insbesondere Wind, Wasser und Solar.

Basierend auf der irreführenden Wirkungsgradmethode, werden auch davon abgeleitete Kennzahlen untauglich. Dazu gehören insbesondere Energieeffizienz und Energieintensität.1

2. Installierte Leistung statt Stromerzeugung

Wer lügt damit: Interessensgruppen Wind & Solar

Unehrliche Fans von Wind und Solar argumentieren mit installierter Leistung statt mit tatsächlicher Stromerzeugung. Dadurch wird der Beitrag von wetterabhängigen Erzeugern aufgebauscht.

Von der Spitzenkapazität können Wind und Solar nämlich nur einen Bruchteil ausschöpfen. In Deutschland schafft Wind an Land im Schnitt rund 20% der maximal möglichen Kapazität und Photovoltaik sogar nur 11%.

Besonders frech ist dieser Vergleich installierter Leistung des Katapult-Magazins:

AKW haben mindestens doppelt so lange Laufzeiten und können bis zu 90% ihrer installierten Leistung nutzen.

Noch dazu wurden hier nur die Kosten für Photovoltaik-Zellen berücksichtigt. Dazu kommen noch Kosten für Wechselrichter, Kabel, Komponenten und Installation. Mehr Lügen mit Zahlen in einer einzigen Abbildung geht kaum.

3. Herkunftszertifikate statt physischer Stromflüsse

Wer lügt damit: Ökostromanbieter und Unternehmen

Die ICEs der Deutschen Bahn fahren angeblich mit 100% Ökostrom. Müssen wir Angst haben, dass die Züge anhalten, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint? Nein, das mit dem Ökostrom ist nur ein Bilanzierungstrick.

Die Bahn weist unternehmensintern den Ökostromanteil des Strommixes den Fernzügen zu. Die ICEs fahren also auf dem Papier mit Wind- und Solarstrom, die Nahverkehrszüge mit Kohlestrom.

Physisch ändert sich gar nichts, die ICE fahren weiter mit dem normalen Strommix, inklusive Kohlestrom. Das ist reines Greenwashing.

Was die Bahn im Kleinen tut, machen Ökostromanbieter im Großen. Sie kaufen Herkunftszertifikate aus Wasserkraftwerken in z.B. Norwegen und schreiben diese den Ökostromkunden auf dem Papier zu. Die Norweger verbrauchen laut Papier im Gegenzug deutschen Kohlestrom.

Physisch ändert sich gar nichts. Aus der deutschen Steckdose kommt weiter der deutsche Strommix. Der angebliche Ökostrom ist zu einem großen Teil umettikettierter Gas- und Kohlestrom. Und in Norwegen kommt aus der Steckdose weiter Strom aus Wasserkraft.

4. elektrische Energie statt thermischer Energie

Wer lügt damit: Interessensgruppen E-Autos

Ein Elektromotor verbrauche drei Mal weniger Energie als ein Verbrenner sagen E-Auto-Fans. Dieses Bild ergibt sich aber nur durch die unzulässige Gleichsetzung von elektrischer und thermischer Energie.

Ein Elektro-Auto nutzt elektrische Energie, ein Verbrenner chemische/thermische durch Verbrennung von fossilem Öl. Eine Kilowattstunde thermisch ist aber nicht das gleiche, wie eine Kilowattstunde elektrisch.

Elektrische Energie ist um etwa den Faktor 3 schwerer zu erzeugen als thermische und somit auch drei Mal so viel wert (auch im monetären Sinn). Wer nur den Wirkungsgrad des Motors betrachtet, ignoriert beim E-Auto den deutlich schlechteren Wirkungsgrad der Vorkette.

Die Frage ist, warum E-Auto-Fans überhaupt mit solchen Teil-Wirkungsgraden argumentieren müssen. Entweder E-Autos sind klimafreundlicher als Verbrenner oder sie sind es eben nicht. Und aktuell sind E-Autos klimaschädlicher als Verbrenner.

Wenn E-Autos geladen werden statt Braunkohlekraftwerke zu drosseln, stößt das E-Auto im Betrieb mehr CO2 aus. E-Autos haben frühestens dann einen Klima-Vorteil gegenüber Verbrennern, wenn Kohlekraftwerke in Deutschland nicht mehr das komplette Jahr durchlaufen.

5. Erneuerbaren-Anteil statt Anteil klimafreundlicher Erzeuger

Wer lügt damit: Regierungsstellen & Atomkraftgegner

Gegen die Kernkraft gibt es in manchen Kreisen einen tiefsitzenden Hass. Und das obwohl wir für eine erfolgreiche Energiewende alle klimafreundlichen Energiequellen brauchen.

So weist selbst die Abteilung für Solare Energiesysteme des renommierten Fraunhofer-Instituts den Anteil Erneuerbarer Erzeuger aus, statt den Anteil klimafreundlicher Erzeuger.

Die klimaschädliche Biomasse wird positiv bewertet, die klimafreundliche Kernenergie negativ. Das ist keine objektive Betrachtung des Fortschritts bei der Dekarbonisierung. Hier werden Länder mit viel Kernkraft schlecht gerechnet.

Fraunhofer gaukelt mehr Klimaschutz vor, als eigentlich stattfindet. Wieviel mehr, merkt man bei Betrachtung der für das Klima entscheidenden CO2-Emissionen im Stromsektor.

Frankreich hat mit seinen Kernkraftwerken eine deutlich bessere Klimabilanz als Deutschland mit seinem Atomausstieg.

Auch offizielle Stellen fassen alles Mögliche unter dem unscharfen Begriff “Erneuerbare” zusammen. Saubere Windkraft, Solarenergie und Wasserkraft wird mit dreckiger Biomasse vermischt. Sogar klimaschädliche Müll- und Holzverbrennung wird so plötzlich positiv besetzt.

Fazit: Lügen mit Zahlen

Klar müssen wir über wichtige Sachverhalte streiten. Dazu gehört die Energieversorgung genauso wie der Klimaschutz.

Aber bei aller Liebe zum Disput: Wer mit irreführenden Zahlen argumentiert, hat die Diskussion schon verloren – zumindest moralisch.

Quellen

  1. The influence of the energy transition on the significance of key energy metrics Kraan et al (2019)

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