Ökostromanbieter Greenwashing: Sind Ökostrom & Ökogas sinnvoll? [+Vergleich]

Ökostromanbieter sind teilweise billiger als die für Normalstrom. Leider sind Ökostromtarife Greenwashing und helfen dem Klima nicht.

Wir sind gerade umgezogen. Beim Stromanbieter-Vergleich gab es eine Überraschung:

Einige Ökostromtarife sind billiger als die für Normalstrom.

Wie kann das sein, obwohl Ökostromerzeuger wie Wind- und Solarstrom doch so teuer sind?

Wenn etwas zu schön klingt um wahr zu sein, dann ist es meistens gelogen.

Ökostromtarife sind vor allem eins: Marketing. Oder sagen wir es deutlicher, das ist Verbrauchertäuschung.

Warum ist Ökostrom Greenwashing und was sind klimafreundliche Alternativen beim Stromanbieterwechsel?

Verbrauchertäuschung: Ist Ökostrom wirklich öko? Ist Ökostrom sinnvoll?

Bei einem Ökostromtarif zahlst du zusätzlich zur eigentlichen Stromlieferung für einen Herkunftsnachweis. Dieses Zertifikat soll deinen Normalstrom “grün machen”.

Auf dem Herkunftsnachweis steht, dass irgendwo auf der Welt ein Kraftwerk Ökostrom erzeugt hat und zwar so viel, wie du an Elektrizität verbraucht hast.

Du hast aber nicht den Strom gekauft, den das Kraftwerk erzeugt. Das ist physikalisch unmöglich. Dein Strom stammt weiterhin aus dem deutschen Strommix mit klimaschädlicher Kohle und Erdgas.

Du hast mit deinem Ökostromtarif auch nicht dafür gesorgt, dass weitere klimafreundlichen Erzeuger ausgebaut werden. Herkunftsnachweise bieten dafür keinen Anreiz.

Kurz gesagt: es hat sich durch deinen Ökostromtarif gar nichts geändert, außer dass ein wenig Geld von dir zum Ökostromanbieter zu einem Wasserkraftwerk im Ausland fließt.

Zu diesem Schluss kommt auch das Umweltbundesamt in seiner Marktanalyse Ökostrom II.

Hier macht sich der wohl progressivste Komiker Europas über dieses Greenwashing lustig: Grüner Strom – Zondag met Lubach (Video mit Untertiteln). Wenn Böhmermann nur halb so geistreich oder lustig wäre….

Update Mai 2023
Zumindest die isländischen Herkunftszertifikate dürfen nicht mehr verkauft werden. Das Greenwashing mit Zertifikaten aus Norwegen und anderen Ländern geht aber weiter.

Normalstrom: Der deutsche Strommix ist überwiegend klimaschädlich

Das ist dein Strommix, egal ob Ökostrom oder nicht

Weil die Energiewende viel zu langsam voranschreitet, ist nach wie vor ein Großteil des deutschen Strommix klimaschädlich: 1

  • 27% Kohle (klimaschädlich)
  • 22% Windkraft
  • 14% Erdgas (klimaschädlich)
  • 12% Kernkraft
  • 9% Solarstrom
  • 6% Biogas (klimaschädlich)
  • 5% Sonstige (klimaschädlich)
  • 4% Wasserkraft

Den mehr als zur Hälfte klimaschädlichen Strommix bekommen wir in Deutschland im Mittel aus der Steckdose, egal ob Ökostromtarif oder nicht.

Wichtigste Stromquelle in Deutschland ist die Verbrennung von Braun- und Steinkohle mit 27% Anteil am Strommix. Insgesamt erzeugen klimaschädliche Energieträger 52% des deutschen Stroms.

Durch den Ausstieg aus der klimafreundlichen Kernkraft wird die klimaschädliche Kohle in den nächsten eineinhalb Jahren auf bis zu 40% Anteil steigen. Der klimaschädliche Strom insgesamt steigt dadurch bis auf 64%, also rund zwei Drittel des Strommix.

1. Greenwashing: Wer Ökostrom bezahlt bekommt Normalstrom

Der Strom aus der Steckdose kommt vereinfacht gesagt vom nächsten Kraftwerk:

  • Wenn du neben einem Wasserkraftwerk wohnst, bekommst du Ökostrom, egal ob du dafür bezahlst.
  • Wenn du neben einem Kohlekraftwerk wohnst, bekommst du Kohlestrom, egal ob du für Ökostrom bezahlst.

Du bekommst immer genau den gleichen Strommix, egal ob du Ökostrom gebucht hast oder nicht. Du beziehst den Normalstrom aus dem Netz, wie dein Nachbar auch.

Um 100% Ökostrom zu beziehen müsstest du deinen Anschluss vom Stromnetz zu trennen und ein direktes Kabel zu einem Ökostromerzeuger legen. Das ist praktisch unmöglich.

Oder du erzeugst selbst Ökostrom in einer Inselanlage mit Solarmodulen und einem enorm großen Speicher für wetterbedingte Ausfälle. Das macht niemand, weil es vollkommen unökonomisch ist.

Im Mittel über alle Bewohner Deutschlands beziehen wir den zu gut der Hälfte klimaschädlichen deutschen Strommix. Physikalische Gesetze scheren sich nicht um Ökostromtarife.

2. Greenwashing: Kein Ausbau-Anreiz durch Ökostromtarife

Durch Ökostromtarife ändert sich leider auch nichts am Strommix. Sie bieten keine speziellen Anreize für den Zubau von klimafreundlichen Erzeugern, sondern machen längst bestehende Kraftwerke ein wenig lukrativer.

Fast alle Solaranlagen, Windanlagen und Biogasanlagen in Deutschland werden subventioniert. Deutsche Erzeuger dürfen wegen dem Doppelvermarktungsverbot des EEG keine Herkunftsnachweise ausstellen.

Die günstigsten Herkunftsnachweise in Europa sind die für alte skandinavische Wasserkraftwerke. Die stehen schon länger, als es Ökostromtarife überhaupt gibt und produzieren ihren Strom sowieso.

Wenn so ein Wasserkraftwerk seinen Gewinn erhöht durch den Verkauf von Zertifikaten, ist das kein Anreiz ein neues Wasserkraftwerk zu bauen.2 Mit Preisen ab 0,05 Cents pro kWh für ein Zertifikat, wäre das sowieso keine enorme Investitionssumme. 3

Ein großer Ausbau-Anreiz für erneuerbare Energien ist wiederum die Festvergütung nach EEG. Die bezahlen wir alle aber sowieso schon über unsere Steuern mit der steuerfinanzierten EEG-Umlage.

3. Greenwashing: Doppelzählung der Herkunftsnachweise für Ökostrom

Die gute Nachricht ist, dass Herkunftsnachweise nur einmal gezählt werden dürfen. Die Zertifikate werden durch Nutzung im Herkunftsnachweisregister für Ökostrom entwertet.

Trotzdem sorgt das System der Herkunftsnachweise dazu, dass Ökostrom doppelt gezählt wird:

  1. Der deutsche Verbraucher mit Ökostromtarif ist stolz darauf “grünen” Strom aus Norwegen zu nutzen.
  2. Der norwegische Verbraucher ist stolz auf seinen grünen Strom aus dem norwegischen Strommix mit 100% Wasserkraft.

Auf dem Papier nutzt der Verbraucher in Norwegen zwar nur 8% klimafreundlichen Strom und stattdessen deutschen Kohlestrom. Das würde er aber kaum glauben, wenn man es ihm erzählen würde.

Physikalisch stimmt das natürlich: Die Norweger nutzen tatsächlich Ökostrom. Der deutsche Verbraucher nutzt Kohlestrom, egal was sein Tarif ihm vormachen will.

4. Greenwashing: Ökostromlabel wie “Grüner Strom” oder “ok-power”

Ökostromlabel tun so als wären sie den Herkunftsnachweisen überlegen. Aber es ist genau das gleiche Greenwashing-Prinzip: Man gibt Kohlestrom einen grünen Anstrich.

Ökostromlabel garantieren zwar eine Ökostrom-Einspeisung gleichzeitig zum Verbrauch. Dadurch beziehst du aber trotzdem keinen Ökostrom aus der Steckdose.

Der tatsächliche Vorteil an Ökolabels ist, dass die Energieversorger einen Teil der Einnahmen in den Ausbau erneuerbarer Erzeuger investieren müssen. Das ist aber sehr wenig Geld: oft 0,1 bis 0,2 Cents pro kWh.

Da die Zertifizierung mit einem Ökostromlabel die Energieversorger viel Geld kostet, ist es besser von ihnen Abstand zu nehmen.

Besser du gehst direkt zu einem ausbaufreudigen Ökostromanbieter, siehe Vergleich am Artikel-Ende.

5. Greenwashing: “klimaneutrales Erdgas” – Ökogas & Biogas

Einige Ökostromanbieter liefern nicht nur Elektrizität, sondern auch Gas für die Heizung.

Obwohl fossiles Erdgas enorm klimaschädlich ist, ist in den Prospekten meistens von “klimaneutralem Erdgas” die Rede, siehe z.B. Grünwelt Ökogas 4:

“Seit 2011 beliefern wir in ganz Deutschland Privat- und Gewerbekunden mit Erdgas, das ohne klimaschädliche CO2-Emissionen auskommt.”

Das ist natürlich unmöglich. Erdgas stößt, wie alle fossilen Energieträger, enorme CO2-Emissionen aus. Erklärt wird das so:

“Die Emissionen, die durch die Verbrennung von Gas entstehen, werden von uns an anderer Stelle durch Investitionen in Klimaschutzprojekte wieder ausgeglichen.”

Es handelt sich also um eine CO2-Kompensation. Sorry, aber auch das ist reines Greenwashing.

Noch frecher ist Green Planet Energy (früher Greenpeace Energy) mit ihrem sogenannten “Windgas” 5:

“Gasmix mit 1% Windgas, mindestens 10% Biogas und 89% Erdgas”

Es wird hier mit klimafreundlichem Gas geworben, das mit Windkraft in einem Elektrolyseur erzeugt wird. Aber nur 1% (aufgerundet?) des Gases stammen aus dieser Quelle. 99% des Gasmixes stammen aus klimaschädlichem Erdgas und Biogas.

Es ist auch nicht absehbar, dass bis 2050 genug klimafreundliches Gas erzeugt werden kann um es in der Heizung zu verbrennen.

Auch Biogas aus Biomasse ist klimaschädlich, sowohl bei der Stromgewinnung als auch beim Heizen. Es hat zwar ungefähr halb so viele Emissionen wie Erdgas, aber das ist immer noch zu viel.

Vergleich: Bester Ökostromanbieter nach echtem Ökostrom-Ausbau

Ein Ökostromtarif ändert nichts an deinem Strommix oder deinen individuellen CO2-Emissionen, egal ob mit Herkunftsnachweis oder Ökolabel.

Es gibt aber unter mehr als 1000 deutschen Stromversorgern einige wenige, die einen signifikanten Teil ihres Gewinns in den Ausbau Erneuerbarer Energie investieren. Das kann tatsächlich ein Beitrag zum Klimaschutz sein.

Der aktuelle Strommix ist dabei egal. Ein Versorger mit 100% Kohlestrom, der 10% des Umsatzes in den Ausbau klimafreundlichen Stroms steckt ist besser als einer mit 100% Ökostrom mit halb so viel grünen Investitionen.

Ich habe lediglich 2 empfehlenswerte Ökostromanbieter mit echtem Ökostrom-Ausbau gefunden:

Mindestens ebenso sinnvoll wie Ökostromausbau sind Anreize mehr klimafreundlichen Strom zu verbrauchen:

  • Tibber
    günstige Strompreise, wenn gerade viel Windstrom und Solarstrom am Netz sind.

Nicht empfehlenswert sind:6

  • Lichtblick, Bürgerwerke, Green City Power, Föhr, Baywa, Enspire, Westfalenwind Strom, Eprimo, Eswe, Baywa, Aldi, Lidl
    keine oder zu geringe Ausbauförderung unter 1 Cent pro kWh
  • Elektrizitätswerke Schönau, Naturstrom AG, Polarstern, Ökostrom+, Fair Trade Power, Westfalenwind Strom, Grünwelt Energy, Green Planet Energy (früher Greenpeace Energy), Proengeno, Eprimo, Eswe, Baywa, Aldi, Lidl
    Investments in und Greenwashing mit klimaschädlichem fossilen Erdgas & klimaschädlichem Biogas
  • MANN Strom
    investiert in Verbrennung von Holzpellets
  • Elektrizitätswerke Schönau, Green Planet Energy (früher Greenpeace Energy)
    Hetzen gegen klimafreundliche Kernkraft mit Falschinformationen. WTF, was für ein Kindergarten? Kann man sich nicht ausdenken! Siehe 100 gute Antworten und FÖS-Studie über hohe gesellschaftliche Kernkraft-Kosten ist Junk Science

Was genau ist Ökostrom, Naturstrom oder Grünstrom eigentlich?

Es gibt leider keine einheitliche Definition für Ökostrom, Naturstrom oder Grünstrom. Das sind auch keine geschützte Begriffe.

In Deutschland wird damit häufig Strom aus erneuerbaren Energien gemeint. Aber erneuerbare Energie würde auch Biomasse mit einschließen. Die ist klimaschädlich und dazu schlecht für die Umwelt.

Beim Klimaschutz geht es ausschließlich um die Treibhausgas-Emissionen von Stromerzeugern. In Gramm CO2-Äquivalent pro kWh sind das:

  • 12 Kernkraft
  • 24 Wasserkraft
  • 38 Geothermie
  • 86 Wind mit Backup
  • 143 Solar mit Backup
  • 230 Biogas (nur indirekte Emissionen)
  • 447 Gas und Dampf
  • 798 Steinkohle
  • 819 offene Gasturbine
  • 1150 Braunkohle

Der beste Ökostrom ist Atomstrom, gefolgt von Wasserkraft und Geothermie. Auch Wind und Solar sind für meine Begriffe noch Grünstrom. Biogas sollte man wenn überhaupt in der Industrie einsetzen und nicht für Heizung oder Strom.

Ist Ökostrom wirklich billiger als normaler Strom?

Es heißt immer wieder in den Nachrichten, dass Strom aus Solaranlagen oder Windrädern mittlerweile die günstigste Form der Stromerzeugung sei.

Das stimmt, aber eben nur dann wenn die Sonne scheint, oder der Wind weht. Wenn man die kompletten Systemkosten für Backup, Regelenergie, Netzausbau usw. berücksichtigt, ist Ökostrom teuer.

Bei den Vollkosten für Strom sind Solar und Wind erstmals günstiger als fossile Energien seit den enormen Anstiegen beim Brennstoffpreis bei Gas, Kohle und CO2-Emissionen durch den Ukrainekrieg. Sie sind aber weiter auf fossiles Backup angewiesen.

Die günstigsten Stromerzeuger sind nach wie vor Kernkraft und Wasserkraft. Leider gibt es in Deutschland kaum Potential für den Ausbau von Wasserkraft und Kernkraft ist politisch nicht gewollt trotz Mehrheit in der Gesellschaft.

Kennst du noch mehr echte Ökostromanbieter?

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Quellen

  1. Stromerzeugung im 1. Halbjahr 2021: Kohle wichtigster Energieträger Statistisches Bundesamt (2021)
  2. Creative accounting Brander et al (2018)
  3. Marktanalyse Ökostrom II Umweltbundesamt (2019)
  4. Unser Ökogas Grünwelt Energie (2021)
  5. Unser Prowindgas für die Energiewende Green Planet Energy (2021)
  6. Ökostrom­report 2020 Robin Wood (2020)

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