Energiewende in Deutschland: aktuelle Situation 2021

Ist die Energiewende bald geschafft? Leider nein, wir sind immer noch ganz am Anfang.

Die Medien berichten dauernd von neuen Rekorden beim Anteil Erneuerbarer am Strommix.

Ist die deutsche Energiewende also bald abgeschlossen? Nein, leider noch lange nicht.

Saubere Erneuerbaren machen erst einen Anteil von 14,2% am gesamten Energiemix aus.

In 20 Jahren Energiewende konnten wir nur knapp 12 Prozentpunkte zulegen, trotz enormer Kosten.

Lies weiter wieviel die Energiewende gekostet hat und warum der Effekt auf den Klimaschutz nur gering war.

Aktuelle Situation 2021: Wie weit ist die Energiewende in Deutschland?

Die Energiewende in Deutschland ist aktuell im Jahr 2021 zu fast einem Achtel umgesetzt. Der Anteil klimafreundlicher erneuerbarer Energien an der Primärenergie beträgt genau 14,2% im Jahr 2020. 1

Vor der Energiewende im Jahr 2000 lag der Anteil klimafreundlicher erneuerbarer Energien am Primärenergiemix bei 2,4%.

Wir konnten also den Primärenergieanteil klimafreundlicher Erneuerbarer in 20 Jahren um knapp 12 Prozentpunkte steigern. Das sind 0,60 Prozentpunkte pro Jahr und 86 Prozentpunkte fehlen noch.

Durch die Corona-Pandemie ist 2020 die Energienachfrage vorübergehend um ein Sechstel eingebrochen. Im Jahr 2019 lag der Anteil klimafreundlicher erneuerbarer Energien noch bei 12,3%. Das sind dann nur noch 0,52 Prozentpunkte pro Jahr.

Wenn der Energieverbrauch nach der Pandemie wieder steigt, wird auch der Anteil fossiler Energieträger entsprechend steigen.

Zukunft: Wann wird die Energiewende in Deutschland abgeschlossen sein?

Die Energiewende wird voraussichtlich im Jahr 2130 abgeschlossen sein.

Dann haben wir rein rechnerisch einen Primärenergie-Anteil von 100% klimafreundlichen Erneuerbaren erreicht. 2

Diese Hochrechnung ist naiv und sehr optimistisch. Folgende Probleme bleiben dabei unberücksichtigt:

  1. Die Standorte für Wind- und Solarstrom werden mit weiterem Ausbau immer schlechter
  2. Die Überproduktion und damit Verklappung von Wind- und Solarstrom nimmt mit weiterem Ausbau deutlich zu.
  3. Die Sektorkopplung von Wärmesektor und Transportsektor ist deutlich aufwendiger als die Stromerzeugung.
  4. Die letzten Prozentpunkte sind am aufwendigsten, weil das Backup dann vollständig durch Snythfuels gedeckt werden muss.

Deshalb wird das Umsetzen der Energiewende vermutlich deutlich länger dauern als bis zum Jahr 2130.

Klimaschutz: Was leistet die Energiewende gegen den Klimawandel?

Der Anteil klimafreundlicher Energie am Primärenergiemix liegt bei 18,7% im Jahr 2020. Das wird aber durch den Atomausstieg auf rund 15% im Jahr 2023 sinken.

Sechs Kernkraftwerke erzeugen aktuell noch ein Viertel unserer klimafreundlichen Energie. Leider sollen sie 2021 und 2022 abgeschaltet werden. 13 Kernkraftwerke wurden bereits seit dem Jahr 2000 abgeschaltet.

Deshalb hat sich zwischen 2000 und 2022 überhaupt nichts am Anteil klimafreundlicher Energie getan. Klimafreundliche Kernenergie wurde 1:1 durch klimafreundlichen Wind- und Solarstrom ersetzt:

  • Jahr 2000: 204 TWh saubere elektrische Energie mit 3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen
  • Jahr 2022: 210 TWh saubere elektrische Energie mit 7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen 3 (ohne Kernkraft)

Die CO2-Emissionen pro kWh sauberer Energie werden nach dem Atomausstieg mehr als doppelt so hoch sein wie im Jahr 2000. Das ist aber immer noch viel besser als fossile Energien. Um 210 TWh zu erzeugen stoßen Kohlekraftwerke nämlich rund 190 Millionen Tonnen aus. 4

Weil die Energiewende seit 2000 keine fossilen Energieträger ersetzen konnte, steht sie für 22 verlorene Jahre beim Klimaschutz.

Noch lassen sich zumindest 6 Jahre davon retten, indem wir die Laufzeiten der noch aktiven 6 Kernkraftwerke verlängern.

CO2-Emissionen im Energiesektor in Deutschland 2020

Die CO2-Emissionen im deutschen Energiesektor sind seit dem Jahr 2000 um 13 Prozenz gesunken:5

  • Jahr 2000: 950 Millionen Tonnen CO2eq
  • Jahr 2019: 827 Millionen Tonnen CO2eq

Ein Großteil der eingesparten 123 Millionen Tonnen CO2 wurde im Stromsektor vermieden. Hauptgrund dafür ist die Brennstoff-Substitution von 90 TWhₑₗ fossiler Kohle mit fossilem Erdgas und Gas aus Energiepflanzen. Das Gas ist zwar immer noch klimaschädlich, aber deutlich sauberer als Kohle.

Außerdem sind immer noch 6 Kernkraftwerke am Stromnetz. Deren geplante Abschaltung in 2021 und 2022 wird den CO2-Ausstoß im Energiesektor um rund 8% erhöhen.

In den Sektoren Wärme, Prozesswärme und Transport sind die Emissionen nur um 4 Prozent seit dem Jahr 2000 zurückgegangen. Die Sektorkopplung steckt in Deutschland leider immer noch in den Kinderschuhen.

Noch gibt es keine Daten für die CO2-Emissionen im Jahr 2020. Wegen der Pandemie sind die CO2-Emissionen im Energiesektor vermutlich deutlich gefallen. Das ist aber nicht nachhaltig, sondern nur auf den vorübergehenden Rückgang von 15% beim Verbrauch zurückzuführen.

Der Energiesektor verursacht 89% der gesamten CO2-Emissionen. Es macht also sehr viel Sinn dort anzusetzen. Klimaschutzmaßnahmen müssen aber auch effektiv sein.

Was kostet die Energiewende? Gesamtkosten 2000 bis 2020

Die Energiewende hat in ihren ersten 20 Jahren mehr als 388 Milliarden Euro gekostet. 6

Im Jahr 2000 startete die Energiewende mit 2,0 Milliarden Euro Kosten pro Jahr. Die jährlichen Ausgaben stiegen jedes Jahr auf mittlerweile 42,5 Milliarden Euro.

Die Gesamtkosten der deutschen Energiewende teilen sich grob in 4 Posten auf:

  • 263,8 Milliarden Euro EEG-Umlage
    direkte Förderung von Erneuerbaren Erzeugern nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 7
  • 63,6 Milliarden Euro Systemkosten
    Differenz zwischen den Systemkosten für Wind & Solar nach Systemanteil und konventionellen Kraftwerken 8
  • 31,9 Milliarden Euro direkte Subventionen
    30 Einzelsubventionen zur Energiewende aus dem Bundeshaushalt sowie Energie- & Klimafonds (EKF)9
  • 29,1 Milliarden Euro Weitere Abgaben auf den Strompreis
    Umlagen für Offshore-Haftung 10, KWKG 11, §19-StromNEV 12 & Abschaltbare Lasten 13

Das ergibt CO2-Vermeidungskosten von 3.154 Euro pro Tonne, falls man wohlwollend jedes vermiedene Gramm CO2 der Energiewende zurechnet. 14 Zum Vergleich, im Emissionshandel kostet die Vermeidung einer Tonne CO2 aktuell rund 25 Euro. Eine Tonne CO2 mit CCS aus der Luft holen kostet 500 Euro.

Die Vermeidungskosten einer Laufzeitverlängerung unserer 6 Kernkraftwerke sind negativ mit -11 Euro pro Tonne CO2.

Monitoringberichte über Kosten der Energiewende sind intransparent

Es besteht bei den hier aufgeführten Ausgaben kein Anspruch auf Vollständigkeit. Die Berichterstattung über die Kosten der Energiewende ist leider trotz regelmäßigen Energiewende Monitoring-Berichten weitestgehend intransparent.

Für ein wenig Transparenz sorgte ein Bericht des Bundesrechnungshofs im Jahr 2018. Dort wurden Kosten von 34,36 Milliarden Euro für das Jahr 2017 berechnet und 160 Milliarden Euro für die Jahre 2013 bis einschließlich 2017. 15 Das ist fast deckungsgleich mit den Summen aus meiner Berechnung.

Der Bundesrechnungshof lässt allerdings die Systemkosten weg. Stattdessen enthält der Bericht die Steuer-Entlastungen der stromintensiven Industrie. Der Bezug dieser Steuer-Vorteile zur Energiewende ist für mich allerdings nicht direkt genug.

Es geht hier ausschließlich um die Zusatzkosten durch direkte Förderungen. Explizit nicht berücksichtigt sind wirtschaftliche Schäden und Vorteile der Energiewende, zum Beispiel die Abwanderung von energieintensiver Industrie oder der Rückgang von Investitionen. Auch externe Kosten werden nicht betrachtet.

Zum Beispiel ist der wirtschaftliche Schaden durch den Atomausstieg in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro pro Jahr nicht berücksichtigt. Erst recht nicht berücksichtigt sind die externen Kosten des Atomausstiegs in Höhe von 10,6 Milliarden Euro pro Jahr. 16

Ebenfalls ausgeschlossen von der Kostenaufstellung sind Förderungen für Forschung und Entwicklung, sowie Entschädigungszahlungen infolge von Atomausstieg und Kohleausstieg.

Ist Klimaschutz das Ziel der Energiewende?

Oft wird die Bekämpfung der Klimakrise als Hauptziel der Energiewende gesehen. Aber Klimaschutz war schon immer nur eines von vielen Zielen der Energiewende und bei weitem nicht das Wichtigste.

Das sieht man besonders deutlich an diesen beiden Daten der Energiewende:

  • Jahr 2022: Atomausstieg
  • Jahr 2038: Kohleausstieg

Wenn Klimaschutz eine Priorität wäre, würden wir schnellstmöglich aus der klimaschädlichen Kohlekraft aussteigen. Stattdessen steigen wir schnellstmöglich aus der klimafreundlichen Kernkraft aus.

Bei der deutschen Energiewende geht es vor allem um den Ausbau von Wind und Solar als Selbstzweck. Dies sind nur 2 klimafreundliche Technologien unter vielen. Für effektiven Klimaschutz bräuchten wir Technologieoffenheit.

Die Ziele der Energiewende in Deutschland

Das erklärte Ziel der deutschen Energiewende ist der Ausbau von Erneuerbaren. Damit sind nicht nur saubere Erneuerbare wie Solar, Wind und Wasser gemeint, sondern auch klimaschädliche Erneuerbare wie Biomasse und Müllverbrennung.

In der EEG-Novelle 2021 sind folgende Zwischenziele zum Ausbau Erneuerbarer festgelegt:17

  • Jahr 2030: 65% Erneuerbare im Stromsektor
  • Jahr 2050: 100% Erneuerbare im Stromsektor

Bisher ist die Energiewende eine Stromwende. Auch die Ausbauziele bis 2050 sehen nur eine Dekarbonisierung des Stromsektors vor. Der Stromsektor macht in Deutschland lediglich 20% der Primärenergie aus und ist am einfachsten zu dekarbonisieren.

In Deutschland sind von den sauberen Erneuerbaren Energien nur noch Wind und Solar signifikant ausbaubar. Das Potenzial von Wasserkraft ist ausgeschöpft und Geothermie gilt bei uns aktuell als zu gefährlich.

Das ferne Endziel der Energiewende ist es alle 3 Energiesektoren Strom, Wärme und Transport durch 100% saubere Erneuerbare zu versorgen. Das wird aber nach aktuellem Stand erst im 22. Jahrhundert passieren.

Die Energiewende und das energiepolitische Zieldreieck

Die Energiewende sollte ursprünglich auch dem energiepolitischen Zieldreieck nach §1 des Energiewirtschaftsgesetzes folgen.

Unser Energiesystem entfernt sich seit 2000 aber von allen 3 Zielen:

  1. Versorgungssicherheit
    Im Jahr 2000 waren nur 3 Netzeingriffe wegen Versorgungsengpässen nötig, heute sind es gut 10.000 pro Jahr. 18 Nach dem Atomausstieg im Jahr 2023 wird der deutsche Kraftwerkspark nicht mehr die Spitzenlast decken können. 19
  2. Wirtschaftlichkeit
    Wir zahlen heute mehr als doppelt so viel für Strom wie im Jahr 2000. Die deutschen Strompreise sind jetzt die höchsten weltweit, mit Ausnahme einiger Inselstaaten.
  3. Umweltverträglichkeit
    Die CO2-Emissionen im Energiesektor sind nur um 13% gesunken. Der Ausbau von Solar, Wind und besonders Biomasse hat durch den hohen Flächen- und Ressourcenbedarf zu neuen Umweltproblemen geführt.

Alle drei Ziele haben unter der Energiewende gelitten, am deutlichsten aber die Wirtschaftlichkeit.

Exkurs Primärenergie: Vergleichbarkeit Erneuerbare dank Substitutionsprinzip

Die Primärenergie als Kennzahl wird oft kritisiert, weil die Abwärme von thermischen Kraftwerken und Motoren voll mitgezählt werden, obwohl das nicht nutzbare Verluste sind. Wasser, Wind und Solar produzieren aber keine Abwärme. Eine naive Berechnung der Primärenergie nach Wirkungsgradansatz ist zum Vergleich von Erneuerbaren deshalb völlig ungeeignet.

In diesem Artikel wird daher die Primärenergie nach Substitutionsprinzip (Input Equivalence) 20 verwendet. Stromerzeugende Erneuerbare werden danach berücksichtigt, wie viel Primärenergie aus fossilen Quellen sie ersetzen können, inklusive Abwärme.

Die erzeugten Energiemengen von Wind, Solar und Wasser werden also mit einem Effizienzfaktor für die Abwärme multipliziert. Dieser Effizienzfaktor passt sich den über die Jahre effizienter werdenden thermischen Kraftwerken an:

  • 1965-2000 36 %
  • 2004 37%
  • 2008 38%
  • 2013 39%
  • 2017 40%

Das einfache und elegante Substitutionsprinzip ermöglicht einen direkten Vergleich aller Energiequellen im Primärenergiemix.

Außerdem lässt sich so ein Effizienzgewinn beim Energieverbrauch direkt an der Primärenergie erkennen. Bei der naiven Methode nach Wirkungsgradansatz täuscht der Wegfall der Abwärme Effizienzgewinne beim Verbrauch nur vor. 21

Effizienz und Suffizienz können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dazu muss man aber erstmal richtig messen. In den letzten 10 Jahren hat sich leider gar nichts beim Energieverbrauch getan, mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.

Quellen

  1. Primärenergieverbrauch AG Energiebilanzen (2020) normalisiert nach Substitutionsprinzip
  2. beim Zubau von Wind und Solar wie bisher, Referenzzeitraum: letzte 5 Jahre
  3. Mittelfristprognose 2021-2025 Netztransparenz (2020)
  4. Fünfter Sachstandsbericht Weltklimarat (2014) mit deutschen Standortfaktoren
  5. Greenhouse gas emissions by source sector Eurostat (2020) inklusive internationaler Schiffs- & Luftverkehr sowie Biomasse
  6. inflationsbereinigt €2021
  7. EEG-Umlagen Übersicht Netztransparenz (2020)
  8. System LCOE: What are the costs of variable renewables? Ueckerdt et al (2013)
  9. Subventionsbericht des Bundes Bundesfinanzministerium (2020)
  10. Offshore-Netzumlage Netztransparenz (2020)
  11. Jahresabrechnungen KWKG Netztransparenz (2020)
  12. Jahresabrechnung § 19 StromNEV Netztransparenz (2020)
  13. Abschaltbare Lasten-Umlage Netztransparenz (2020)
  14. 388 Milliarden Euro Energiewende-Kosten geteilt durch 123 Millionen Tonnen vermiedene CO2-Emissionen im Energiesektor seit 2000
  15. Bericht nach § 99 BHO Bundesrechnungshof (2018)
  16. The Private and External Costs of Germany’s Nuclear Phase-Out Jarvis et al (2019)
  17. Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften Bundesgesetzblatt (2020)
  18. Redispatch in Deutschland BDEW (2020)
  19. Kraftwerkspark in Deutschland BDEW (2018)
  20. Input Equivalence Methodology BP Statistical Review of World Energy (2020)
  21. Energieeinsparung durch Statistik: Geht das? Energiewirtschaftliche Tagesfragen (2019)

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