Energie und Umweltschutz müssen sich nicht widersprechen. Wasserkraft und Kernkraft sind sowohl klimafreundlich als auch umweltfreundlich.
Inhalt
Die Klimaerwärmung ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Klimaschutz hat eine hohe Priorität.
Beim Tunnelblick auf CO2-Emissionen verlieren wir aber oft andere Aspekte der Nachhaltigkeit aus den Augen, zum Beispiel:
- Ressourcenverbrauch
- Flächennutzung
- Gesundheitsfolgen
- Biodiversität
- Eutrophierung
- Wassernutzung
- Luftverschmutzung
Es muss keinen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Umweltschutz geben. Die klimafreundlichsten Energiequellen sind auch gleichzeitig die umweltfreundlichsten.
Wasserkraft und Kernkraft haben nicht nur die niedrigsten CO2-Emissionen, sie haben auch den geringsten Ressourcenverbrauch und die niedrigsten Gesundheits- und Umweltfolgen.
Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Vereinten Nationen. 1 sieben verschiedene Energiequellen wurden auf ihre externen Kosten über den Lebenszyklus untersucht.
Umwelt & Energie: beste Energiequellen in punkto Nachhaltigkeit
Die geringsten negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben diese Energiequellen (niedriger ist besser):
- 1 Wasserkraft
- 4 Kernkraft
- 6 Wind an Land
- 14 Photovoltaik
- 25 Erdgas
- 81 Steinkohle
Die Punktzahlen bewerten verschiedene externe Folgen von Energiequellen über den Lebenszyklus, gewichtet und aufsummiert. Die Gewichtung stammt vom JRC der EU2 mit einer gut drei Mal so hohen Bewertung des Klimaeffekts und einer halbierten Bewertung von Umwelt- und Gesundheitsfolgen.
Die Klimaerwärmung (41 Punkte gesamt) ist entsprechend der größte Effekt. Sie macht sich aber fast nur bei Kohle und Erdgas bemerkbar. Die vier klimafreundlichen Erzeuger beeinflussen das Klima kaum.
Der nächstgrößere externe Effekt ist die Umweltbelastung (30 Punkte gesamt), insbesondere die Eutrophierung von Frischwasser (22 Punkte gesamt) durch hauptsächlich Kohle und ein wenig durch Photovoltaik.
Fast gleichauf sind die Gesundheitsfolgen für Menschen (25 Punkte gesamt), insbesondere krebserzeugende Stoffe (13 Punkte gesamt) durch vorrangig Kohle und Windkraft.
Der verbleibende Faktor ist die Nutzung knapper Ressourcen. Kohle und Erdgas dominieren beim Verbrauch von knappen fossilen Ressourcen (24 Punkte gesamt) und Photovoltaik beim Verbrauch von knappen Metallen und Mineralien (9 Punkte gesamt).
Externe Kosten: Was kostet umweltfreundliche Energiegewinnung?
Die Studie der UNECE berechnet leider nur abstrakte Punktzahlen zur Bewertung von Umwelteffekten. Interessanter wären die externen Kosten in Euro.
Die Punkte geben immerhin eine Relation zwischen den Umwelteffekten vor. Wenn man weiß, welche externen Kosten ein Faktor verursacht, kann man daraus die externen Kosten der anderen Faktoren berechnen.
Wir können zum Beispiel einen CO2-Preis von 195€ pro Tonne ansetzen. Das sind laut Umweltbundesamt die gesellschaftlichen Kosten der Klimaerwärmung.3
Dies führt zu folgenden Klima-, Gesundheits- und Umweltkosten:
- 1 Cents pro kWh Wasserkraft
- 3 Cents pro kWh Kernkraft
- 4 Cents pro kWh Wind an Land
- 4 Cents pro kWh Wind Offshore
- 8 Cents pro kWh Solarparks
- 10 Cents pro kWh Dachsolar
- 17 Cents pro kWh Erdgas
- 57 Cents pro kWh Steinkohle
Diese Kosten für Folgen auf die Ökologie müssten auf die Vollkosten der Energiequellen aufgeschlagen werden um ein Marktversagen zu vermeiden.
Die externen Kosten machen bei Steinkohle, Erdgas und Photovoltaik den Löwenanteil der Gesamtkosten aus. Bei Kernkraft und Windkraft sind sie niedrig und bei Wasserkraft kaum vorhanden.
Bitte genieße diese externen Kosten mit Vorsicht. Sie hängen vom gewählten CO2-Preis und anderen Unsicherheiten ab. Es geht um Größenordnungen, nicht um zig Stellen hinter dem Komma.
Umweltschäden: Welche Stromquelle ist am umweltfreundlichsten?
Bei den Umweltschäden überwiegen mit großem Abstand die erwarteten zukünftigen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf das Ökosystem.
Erstaunlicherweise spielt der Flächenverbrauch der Energiequellen in der Gesamtbetrachtung nur eine geringe Rolle. Als Ökomodernist mit einem Faible für Rückverwilderung, finde ich diese Priorisierung bedauernswert.
Noch unbedeutender ist die Eutrophierung beim Abbau von Kohle und Metallen. Durch die Anreicherung von Nährstoffen im Ökosystem kommt es zu übermäßigem Pflanzenwachstum mit negativen Folgen für das Gleichgewicht.
Weitere Faktoren wie Versauerung, Wasserverbrauch und Wasservergiftung sind zwar berücksichtigt, aber ohne signifikante Auswirkungen auf das Ökosystem.
Die Umweltauswirkungen über die Klimaerwärmung hinaus sind quasi ein Rundungsfehler. Ein Großteil davon passiert noch dazu beim Bergbau. In Deutschland bekommen wir fast gar nichts davon mit.
Gesundheitsfolgen: Welche Energiequellen verursachen Krankheiten?
Auch wenn es um die menschliche Gesundheit geht, überwiegen die den Menschen betreffende Klimafolgen durch Kohle und Erdgas. Vermutlich sind damit Unwetter gemeint oder extreme Temperaturen.
Umweltgifte sind deutlich weniger gefährlich und vor allem ein Problem der Kohleverbrennung. Bei den Toxinen machen krebserzeugende Substanzen weniger als die Hälfte der Gesundheitsgefahr aus.
Auf dem dritten Platz ist die Luftverschmutzung, insbesondere durch Feinstaub aus der Kohleverbrennung. Erdgas verbrennt deutlich sauberer.
Ebenfalls berücksichtigt sind Strahlengefahr, Gesundheitsrisiken durch Ozon sowie das Entstehen von Ozonlöchern. Diese Faktoren sind aber kein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko.
Die meisten Umweltgifte stammen aus nur wenigen Quellen. Besonders toxisch ist der Chromanteil in Edelstahl, auch wegen der Arsen-Emissionen bei der Verarbeitung.
Landnutzung: Wie viel Fläche belegen verschiedene Stromquellen?
Die Karte zur Flächennutzung für jeweils 1.000 TWh elektrischen Strom wurde erstellt mit dem exzellenten Energiewenderechner, aber mit den Zahlen aus der Studie. Der zukünftige Strombedarf Deutschlands wird etwa zwischen 1.500 und 2.500 TWh liegen
Bei der Landnutzung zählt UNECE auch die Flächen, die für den Abbau von Ressourcen gebraucht werden. Deshalb ist die Landnutzung von Steinkohle so groß.
Den größten Flächenverbrauch haben allerdings Wasserkraftwerke. Wenn man 1.000 TWh elektrischer Energie mit Hilfe von Wasserkraft erzeugen wollte, müsste man dafür 9,1% der Fläche Deutschlands nutzen. Da die Nutzung als Speichersee in die Bewertung von UNECE positiv eingeht, spielt dieser Flächenverbrauch bei den externen Kosten allerdings keine Rolle.
Biomasse würde nochmal deutlich mehr Fläche benötigen als Wasserkraft, wird aber von UNECE nicht berücksichtigt.
Bei Windrädern an Land wird nur die “direct impact area” gezählt, also lediglich die zubetonierten Bereiche. Auch wenn in Deutschland von 2% Landfläche für Windräder gesprochen wird, ist nur das gemeint. Die Gesamtfläche eines Windparks ist um Größenordnungen ausgedehnter.
Bei der Photovoltaik handelt es sich um Dachsolar. Auf dem Boden befestigte Solarparks brauchen rund 50% mehr Fläche. Der Großteil der Landnutzung entfällt bei PV aber sowieso auf die Herstellung.
UNECE berücksichtigt in der Gesamtbewertung bei der Landnutzung nicht nur die reinen Quadratkilometer, sondern auch die Art der Nutzung und die vorherige Verwendung des Bodens.
Wichtig ist zum Beispiel die Reversibilität. Viele Flächen lassen sich nach der Nutzung zur grünen Wiese rückbauen. Das gilt aber nicht für den Bergbau, insbesondere den Kohlebergbau.
Metalle & Mineralien: Wie viele Ressourcen brauchen Energiequellen?
Beim Bedarf von Metallen und mineralischen Ressourcen sticht die Photovoltaik besonders negativ hervor. Auch die Windenergie benötigt viele Rohstoffe.4
Noch deutlicher führt die Photovoltaik, wenn man die Knappheit von Metallen einbezieht. Das liegt vor allem an kleinen Mengen Silber in den Solarzellen, aber auch am enormen Kupferverbrauch.
2030 wird voraussichtlich nur noch die Hälfte der Lithium- und Kobalt-Nachfrage bedient werden können. Selbst die reichliche Kupferförderung wird 2030 nur noch 80% des Bedarfs decken können.5
Auch ein wichtiger Faktor im Ressourcenmarkt ist die Abhängigkeit von wenigen Quellenländern. Bei einem Export-Stopp von China wie vor 10 Jahren, wären 60% der global geförderten seltenen Erden und 90% der Verarbeitungskapazität vom Markt verschwunden.
Der Verbrauch von ebenfalls knappen fossilen Brennstoffen wird von Kohle- und Gaskraftwerken dominiert. Man muss aber bedenken, dass wir mehr fossile Brennstoffe haben, als wir jemals fördern werden.
Wenn wir alle fossilen Vorkommen ausschöpfen würden, müssten wir eine Klimakatastrophe mit zweistelligem Temperaturanstieg in Kauf nehmen. Für das 2-Grad-Ziel müssen wir einen Großteil der fossilen Brennstoffe im Boden lassen. 6
Die Klimaerwärmung ist also das Nadelöhr für fossile Brennstoffe, nicht die Knappheit. Wenn man beides zählt, dann zählt man das gleiche Limit doppelt.
CO2-Emissionen: Welche sind die klimafreundlichsten Stromerzeuger?
Auch die CO2-Emissionen vergleicht die Studie. Es werden dabei deutlich neuere Daten verwendet als bei der Metastudie im letzten Sachstandsbericht des Weltklimarates.
Das erklärt die Halbierung der Emissionen von Photovoltaik und Kernkraft. Beide Technologien haben in den letzten Jahren Fortschritte gemacht:
- Photovoltaik durch bessere Effizienz der Module
- Kernkraft durch In-Situ-Leaching beim Uran-Abbau (UNECE nimmt einen Anteil von 55% an)
Auch die Emissionen von Wasserkraft sind halb so hoch, warum weiß ich nicht. Die Studie weist aber auf die hohen Methan-Emissionen von Stauseen in tropischen Regionen hin.
Die Emissionen von Steinkohle sind mit 1000 gCO2 pro kWh etwas höher als beim Weltklimarat mit 820 gCO2 pro kWh. Die Zahlen für Wind und Erdgas sind vergleichbar. Braunkohle ist leider nicht berücksichtigt und dürfte bei 1200 gCO2 pro kWh oder mehr liegen.
Exkurs: Klimaschutz vs Umweltschutz
Beim Klimaschutz geht es ausschließlich um CO2-Emissionen und die dadurch ausgelöste globale Klimaerwärmung. Man spricht auch vom Carbon Tunnelblick.
Beim Umweltschutz geht es eher um lokale Effekte, z.B.:
- Verschmutzung
- Flächennutzung
- Ressourcennutzung
- Tierschutz
Der lokal gefasste Umweltschutz wird auch manchmal gegen den globalen Klimaschutz ausgespielt.
Im Energiesektor äußert sich das z.B. durch:
- Klagen gegen klimafreundliche aber umweltschädliche Windräder, Stromnetze, Pumpspeicher und Carbon Capture
- Umweltschädliche Ausbeutung von Drittwelt-Rohstoffen für klimafreundliche Photovoltaik und Batteriespeicher
Alle Technologien sind sowohl umweltschädlich als auch klimaschädlich. Die Frage ist nur, wie stark. Das war die Fragestellung in diesem Artikel.
Vereinfachungen bei der Zusammenfassung der Studie
Die UNECE-Studie und selbst die Grafiken sind ziemlich unübersichtlich. Das liegt unter anderem an der Vielzahl von Varianten. Allein für Steinkohle gibt es 8 verschiedene Zahlen. 7 davon sind in der Praxis fast ohne Bedeutung.
Zur Vereinfachung habe ich von jedem Erzeuger nur die wichtigste Zahl genommen und zwar:
- Hard coal PC without CCS
- Natural gas NGCC without CCS
- Nuclear average
- Hydro 360 MW
- PV poly-Si roof-mounted
- Wind onshore
CSP und CCS sind nicht relevant für Deutschland. Für Solarthermie-Kraftwerke haben wir zu wenig Sonnenpower und Carbon Capture ist auf Länderebene faktisch verboten.
Für die Kohleverbrennung wird hier die in Deutschland verbreitetste Technologie der subkritischen Pulverisierung (PC) ausgewählt. Kohlevergasung (IGCC) und superkritische Pulverisierung (SC) sind hierzulande die Ausnahme.
Bei Photovoltaik sind in Deutschland polykristalline Solarmodule repräsentativ. Die beiden Varianten von Dünnfilm-Solarmodulen (CdTe & CIGS) sind außer im Campingbereich unüblich. Wo nicht anders erwähnt wird Dachsolar betrachtet, der Löwenanteil der Installationen in Deutschland.
Auch bei Windkraft überwiegen deutlich die Windräder an Land gegenüber Offshore-Windparks. Wenn Offshore betrachtet wird, dann in der Variante mit Betonfundamenten.
Die Größenordnungen verschiedener Varianten sind meistens vergleichbar. Nur bei Wasserkraft ist der Unterschied zwischen beiden Zahlen groß. Das weggelassene zweite Wasserkraftwerk ist aber sehr abgelegen und daher laut Studie nicht repräsentativ.
Die Kapazitätsfaktoren, die in der Studie für Europa angesetzt werden sind:
- 12,4% Photovoltaik
- 22,8% Wind an Land
- 35% Wasserkraft
- 36,2% Wind Offshore
- 95% Kernkraft
Das ist bei PV, Wind und Kernkraft jeweils leicht optimistischer als es deutsche Standortfaktoren hergeben. Bei Wasserkraft wiederum liegen wir in Deutschland eher bei 45%. Die Zahlen für Hydro wären hierzulande also noch um fast ein Viertel besser.
Bei Steinkohle und Erdgas gehen die Autoren mit 85% von sehr hohen Kapazitätsfaktoren aus. In Deutschland wird nur etwa die Hälfte erreicht. Bei beiden Energieträgern zählt aber vor allem die Verbrennung des Brennstoffs mit geringer Fixbelastung. Wenn der Kapazitätsfaktor sinkt, dann sinken auch die Umweltschäden fast proportional.
Quellen
- Life Cycle Assessment of Electricity Generation Options UNECE (2021)
- Development of a weighting approach for the Environmental Footprint JRC (2018)
- Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten Umweltbundesamt (2020)
- Seite 56, Figure 46 – Wert für Uran auf Seite 93
- The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions IEA (2021)
- The carbon budget for dummies Cicero (2021)