Ab 2035 sollen Verbrenner-Autos in der EU verboten sein. Macht das Sinn? Und sind E-Fuels oder Wasserstoffautos eine Alternative zum E-Auto?
Inhalt
Das Verbrenner-Verbot in der EU soll kommen. Ab 2035 sind Neuwagen mit Verbrennungsmotor untersagt.
Begründet wird das Verbot mit Klimaschutz. E-Autos werden bereits heute als klimaneutral bezeichnet.
Es wird aber noch 2 Jahrzehnte dauern, bis E-Autos klimafreundlicher sind.
Macht das Verbrenner-Verbot wirklich Sinn? Und wenn ja, ist 2035 dafür zu früh oder zu spät?
Wie steht es mit Alternativen zum Elektroauto, also synthetische Kraftstoffe für Verbrenner?
Will die FDP mit ihrer Technologieoffenheit nur trollen, oder sind E-Fuels wirklich die Zukunft?
CO2-Emissionen: Wie klimafreundlich sind E-Autos, E-Fuels & Wasserstoffautos?
So lange noch signifikant fossile Kraftwerke zum Laden oder zur Erzeugung von Wasserstoff eingesetzt werden, sind stinknormale Dieselautos am klimafreundlichsten. Die Klimasünder sind aktuell E-Autos, wegen dem dreckigen deutschen Ladestrom.
Damit E-Autos in Deutschland so klimafreundlich wie Diesel werden, müssen wir erst aus der Kohle ausstiegen, geplant in den 2030ern.
- 43 tCO2 CO2-Emissionen Wasserstoffauto
- 31 tCO2 CO2-Emissionen Elektroauto
- 29 tCO2 CO2-Emissionen Verbrenner mit E-Diesel
Lebenszyklus-Werte mit Vorketten bei 150.000 km Fahrleistung
Elektrisch basierte Antriebe sind erst dann klimafreundlich, wenn Energieträger mit niedrigen CO2-Emissionen zum Laden verwendet werden. In Deutschland ist das erst ab 2045 geplant.
Klimabilanz 2045:
- 17 tCO2 CO2-Emissionen Wasserstoffauto
- 13 tCO2 CO2-Emissionen Elektroauto
- 9 tCO2 CO2-Emissionen Verbrenner mit E-Diesel
Lebenszyklus-Werte mit Vorketten bei 150.000 km Fahrleistung
Wenn wir wie geplant im Jahr 2045 100% saubere Energie nutzen, ist es für den Klimaschutz egal ob Wasserstoffauto, Elektroauto oder E-Fuels. Keine der 3 Antriebsformen ist dann signifikant klimafreundlicher.
Wann Verbrenner-Verbot: Ist 2035 ein guter Zeitpunkt?
Für den Klimaschutz macht es perspektivisch Sinn auf elektrisch basierte Antriebe zu setzen, egal ob Elektroauto, Wasserstoffauto oder Verbrenner mit E-Fuel. Ob das unbedingt durch ein Verbot erreicht werden muss, ist eine andere Frage.
Wenn man Verbrenner unbedingt verbieten will, stellt sich gleich die nächste Frage, nämlich ab wann das Verbot sinnvoll ist. Die EU soll schließlich bis 2050 klimaneutral werden. Bis dahin darf also kein Diesel mehr auf der Straße sein.
In der EU sollen ab 2035 keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Bereits zugelassene Fahrzeuge können aber weiterfahren und auch Gebrauchtwagen kann man weiter kaufen.
Das Durchschnittsalter von PKW liegt in Deutschland bei rund 10 Jahren.4 Wenn das so bleibt, würden also 2045 noch rund die Hälfte der bis 2034 zugelassenen PKW auf den Straßen sein.
Noch dazu geht es ja nicht nur um Deutschland, sondern um eine EU-weite Vorgabe. In Ländern wie Schweden (viel Wasserkraft) oder Frankreich (viel Kernkraft), sind E-Autos deutlich klimafreundlicher als in Deutschland.
Das spricht alles für eine Terminierung von klassischen Verbrennern auf ein Jahr zwischen 2030 und 2035. Es gibt aber keinen Unterschied zwischen Dieselmotoren und E-Dieselmotoren. Dank E-Fuels ließe sich das Verbot also verschieben.
Wenn man unbedingt ein Verbrenner-Verbot machen will, dann scheint 2035 zumindest nicht der schlechteste Zeitpunkt zu sein. Besser wäre es aber das ineffiziente Klimaneutralitätsziel zu hinterfragen und durch einen CO2-Preis zu ersetzen.
Wirkungsgrad: Wie effizient sind E-Autos, E-Fuels & Wasserstoffautos?
Elektroautos gelten als der Königsweg, obwohl Wasserstoffautos und Verbrenner mit E-Fuels ähnlich niedrige CO2-Emissionen verursachen. Warum ist das so?
Das Problem bei E-Fuels und Wasserstoff ist die benötigte Energiemenge. Die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen ist verlustreich und erfordert deutlich mehr Energie als bei der direkten Nutzung des Stroms:5
- 77%: Gesamtwirkungsgrad Elektroauto
- 33%: Gesamtwirkungsgrad Wasserstoffauto
- 20%: Gesamtwirkungsgrad E-Diesel-Auto
Im Vergleich zum E-Auto frisst der Betrieb mit E-Diesel fast 4 Mal so viel Energie und mit Wasserstoff fast 2,5 Mal so viel Energie.
E-Fuels wären also allein von den Energiekosten mindestens 4 Mal so teuer wie Strom für das E-Auto, wenn sie in Deutschland hergestellt werden.
Das Problem synthetischer Kraftstoffe sind also nicht etwa die sehr niedrigen CO2-Emissionen, sondern die potentiellen Kosten bei deutscher Erzeugung.
E-Fuels made in Germany? Sicher nicht!
Es geht aber so gut wie niemand davon aus, dass Deutschland signifikante Mengen E-Fuels herstellen wird. E-Fuels made in Germany wären wegen der viel zu hohen Energiekosten hierzulande ein Ladenhüter.
Wir haben in Deutschland sehr schlechte Standortfaktoren für Wind und Solar. Dazu kommen hohe Kosten bei der Stromerzeugung durch Geothermie und wir steigen auch noch aus der günstigen Kernenergie aus.
Die deutschen Strompreise gehören schon zu den höchsten der Welt und sie werden auf Dauer höher bleiben als in anderen Ländern. Die Kosten von synthetischen Kraftsoffen werden aber von den Stromkosten dominiert.
Das heißt: E-Fuels made in Germany werden unsubventioniert niemals wettbewerbsfähig sein. Wir werden den Löwenanteil unseres E-Fuel-Bedarfs importieren, weil andere Länder billiger anbieten.
Hinzu kommt, dass das Ausbaupotential von Wind- und Solaranlagen gar nicht ausreicht, um genug Energie für Deutschland zu erzeugen. Ohne Kernkraft machen wir uns in Zukunft von großen Mengen an Energie-Importen abhängig.
Importe: Wo lohnt es sich synthetische Kraftstoffe herzustellen?

Wenn wir E-Fuels und Wasserstoff aber sowieso importieren, dann relativieren sich die Wirkungsgrade zu einem großen Teil durch die weit besseren Standortfaktoren in anderen Ländern.
Welche Weltregionen können zukünftig unsere Energielieferanten sein?
- In der MENA-Region und anderen Wüsten ist PV-Strom mehr als 2x günstiger.
- In Grönland oder Patagonien ist Wind-Strom mehr als 2x günstiger.
- In China, Korea oder Russland ist Atomstrom deutlich günstiger als in Europa.
Auch durch die bessere Auslastung von Elektrolyseuren und Synthetiseuren sinken die Kosten. Selbst die zusätzlichen Transportkosten machen keinen großen Unterschied.
Wir werden in jedem Fall eine Infrastruktur für den Import und die Verwendung von Synthfuels aufbauen. Die Sektorkopplung mit Prozesswärme und der Dekarbonisierung von Luftfahrt, Schiffahrt und LKWs geht gar nicht ohne synthetische Kraftstoffe.
Wasserstoff-Leiter: Welche Anwendungen für E-Fuels?

Die große Frage ist, ob der Preis attraktiv genug sein wird, um auch gegen direkt elektrifizierbare Anwendungen wettbewerbsfähig zu sein. Oder werden E-Fuels wegen ihren hohen Kosten nur da verwendet, wo wir keine andere Wahl haben?
Eine Antwort darauf versucht Michael Liebreichs Clean Hydrogen Ladder zu geben. Wasserstoffautos sind dort in der unwirtschaftlichsten Kategorie G. E-Fuel-Verbrenner sind vermutlich implizit mitgemeint.
Selbst optimistische Experten erwarten keine ausreichenden Mengen von E-Fuels und Wasserstoff in den Vierziger Jahren. Konkret in Zahlen sollen im Jahr 2045 laut Fraunhofer ISE kosten6:
- 051 €/MWh: Öl/Treibstoff
- 127 €/MWh: H2-Import
- 271 €/MWh: Fuel-Import
Die Kosten für E-Fuels sollen also im Jahr 2045 noch 5x so teuer sein wie für Diesel. Wenn an der Tankstelle Preise von 8 Euro pro Liter E-Diesel abgerufen werden, erledigt sich das Thema E-Fuel-Auto von ganz allein.
Was sind die Vorteile von E-Fuels und Wasserstoff
Die Preise von importierten E-Fuels sind allein aufgrund der Energiekosten mindestens 1,5x so hoch wie die direkte Nutzung von Elektrizität. E-Fuels haben aber auch einige Vorteile.
Der riesige Vorteil von E-Diesel und E-Benzin ist die Weiterverwendung der bestehenden Fahrzeugflotte und Infrastruktur. Wir fahren die gleichen Autos zu den gleichen Tankstellen. Das ist nachhaltig.
Für Elektroautos und Wasserstoffautos müssen wir erst eine neue Infrastruktur aufbauen. Der Netzausbau für Ladesäulen ist sehr teuer und auch die Speicherung und der Transport von Wasserstoff sind sehr teuer.
Eine komplette Umstellung der Fahrzeugflotten bedingt auch einen Großumbau der Autoindustrie. Das ist ein enormer wirtschaftlicher Nachteil für Deutschland. Das Verbrenner-Verbot könnte krasse soziale Folgen haben.
Mit Energie-Importen wäre es möglich schon lange vor 2045 klimaneutral zu fahren. Auch eine langsame Erhöhung der Beimischung von E-Fuels ist denkbar. Das gilt aber nur dann, wenn die E-Fuel-Importe aus einem bereits dekarbonisierten Land kommen.
E-Fuels und Wasserstoff würden die Energieabhängigkeit durch zusätzliche Importe erhöhen. Aber auch bei der Fertigung von Batterien und insbesondere bei der Gewinnung der dafür nötigen Rohstoffe sind wir stark von Ländern wie China abhängig.
Fazit: Ist das Verbrenner-Verbot sinnvoll?
Es ist sinnvoll, Diesel und Benzin auf lange Sicht durch Elektroautos, Wasserstoffautos oder E-Fuel-Verbrenner zu ersetzen. Ein Verbot ab 2035 ist ein möglicher Weg das zu erreichen.
Es ist aber Unsinn, Verbrenner-Autos grundsätzlich zu verbieten. Wenn sie mit E-Fuels betrieben werden, sind sie so klimafreundlich wie Elektroautos. Der Vorstoß der FDP zur Technologieoffenheit ist also gerechtfertigt.
E-Fuels werden vermutlich trotzdem keine Rolle bei PKWs spielen, wenn die prognostizierten hohen Kosten wahr werden. Aber das wird der Markt von ganz allein entscheiden. Dem Klima ist es egal ob E-Fuels oder E-Auto.
Ich bin skeptisch, ob wir überhaupt eine globale Wasserstoffwirtschaft in nur 20 Jahren aufbauen. Viele Schlüsseltechnologien sind noch lange nicht marktreif. Selbst die essentiellen Groß-Elektrolyseure sind nur Pilotprojekte.
Als Tech for Future bin ich natürlich für Technologieoffenheit und gegen Scheuklappen. Wir haben in Deutschland schon zig negative Erfahrungen mit staatlichen Technologie-Verboten gemacht, von Gentechnik bis Kernkraft.
Wasserstoff und E-Fuels zu verbieten, weil sie in Zukunft zu viel kosten könnten, ist eine völlig absurde Idee und leider typisch für die Verlogenheit der deutschen Energiewende-Debatte.
Quellen
- Cradle-to-Grave-Lebenszyklusanalyse im Mobilitätssektor Bothe & Steinfort (2020)
- Local Emission factors Electricitymap (2022)
- Marginalstrom: 900g CO2/kWh vor Kohleausstieg (2025), 600 gCO2/kWh nach Kohleausstieg (2035)
- Bestand nach Fahrzeugalter Kraftfahrtbundesamt (2022)
- Electrofuels? Yes, we can … if we’re efficient Transport & Environment (2020)
- Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem Fraunhofer ISE (2020)
Oh Gott – der Florian Blümm wird ja immer schlimmer mit seinen Behauptungen und Irreführungen.
Nachdem er das Märchen vom angeblich billigem Strom aus Kernenergie zu seinem Hauptmotto erhoben hat, versucht er nun den Weg für eFuels zu ebnen.
Zitat:
“So lange noch signifikant fossile Kraftwerke zum Laden oder zur Erzeugung von Wasserstoff eingesetzt werden, sind stinknormale Dieselautos am klimafreundlichsten. Die Klimasünder sind aktuell E-Autos, wegen dem dreckigen deutschen Ladestrom.”
Direkte Quellen für diese Behauptung gibt es keine, aber wie gewohnt die eigene Ableitung mit ausgesuchten Fakten.
Zitat:
“Wenn wir wie geplant im Jahr 2045 100% saubere Energie nutzen, ist es für den Klimaschutz egal ob Wasserstoffauto, Elektroauto oder E-Fuels. Keine der 3 Antriebsformen ist dann signifikant klimafreundlicher.”
Klar, wenn alle 3 Antriebsformen mit 100% sauberer, klimafreundlicher Energie betrieben werden ist der Betrieb ähnlich wenig klimaschädlich…
Witzig allerdings, dass Norbert Blümm hier genau den Fehler begeht, den er oben (wegen des ca. 50% fossilen Anteils bei der dt. Stromerzeugung) im Zusammenhang mit den E-Autos /BEVs bemängelt – die Bereitstellung der Energie auszublenden. Denn es ist nun einmal ein riesiger Unterschied, ob für die gleiche Fahrstrecke 1 Windrad /PV oder 3 Windräder /PV gebaut werden müssen- oder 5 oder 8 …
Natürlich kann man in anderen Gegenden der Welt mit der gleichen Anlage mehr EE-Strom erzeugen als in Deutschland – nur scheint auch dort die Sonne keine 24h am Tag und wird die EE-Energie für viele Jahre auch dort vor Ort direkt verbraucht – am effizientesten.
Klar kann man dort auch eFuels (für Deutschland) herstellen – nur ganz sicher nicht billig /preiswert für uns.
Ähnlich fragwürdig auch die Argumentation zum Betrieb von Kfz mit Verbrennungs-Kfz mit eFuels:
“Der riesige Vorteil von E-Diesel und E-Benzin ist die Weiterverwendung der bestehenden Fahrzeugflotte und Infrastruktur. Wir fahren die gleichen Autos zu den gleichen Tankstellen. Das ist nachhaltig.”
Nein, das ist es nicht. Denn der Vorteil ist klein im Vergleich zum riesigen Aufwand, der zusätzlich betrieben werden muss, um (irgendwo in der Welt, da ja nicht in Deutschland) für uns “sauberen” Sprit herzustellen. Abgesehen davon, dass wir diesen teuren Sprit trotzdem brauchen werden – nur eben gewiss nicht für die Masse an PKW mit heutiger Verbrennertechnologie.
Die verbleibenden, in einigen Jahren immer weniger werdenden Kfz mit Verbrennungsmotor / herkömmlichen PKW werden wie bisher vor allem mit fossilem Sprit betrieben werden. Niemand sollte glauben dass die Minerlölkonzerne ihr biusheriges Geschäftsfeld einfach aufgeben.
Klimaschutz durch Technologie:
Wie wäre es mit einem deutlichen Ausbau /Erweiterung der bestehenden Stromnetze, die ja heute schon vom Nordkap bis Afrika reichen? Ja, Deutschland wird wohl auch zukünftig Energie importieren müssen – bspw. solaren EE-Strom aus Spanien …
Ich schreibe einen Artikel, warum e-Fuels höchstwahrscheinlich keine Rolle spielen werden und mein Lieblings-Troll macht daraus in seinem Kopf igrendwie einen Pro-E-Fuel-Artikel?
Was willst du eigentlich hier mit deinen ständigen Falschaussagen erreichen? Wäre doch ne sinnvollere Investition unserer beider Zeit, wenn du das Getrolle einfach sein lässt…
Volle Zustimmung, nur eine Anmerkung: Über eine Stellschraube geraten die fossilen Treibstoffe ggf ins Hintertreffen: Die Co2-Steuer.
Hier kann der Staat nach Belieben das Ruder in die eine oder andere Richtung werfen, “koste es was es wolle”.
Elektroautos sind in allen Märkten klimafreundlicher als Diesel.
https://theicct.org/publication/a-global-comparison-of-the-life-cycle-greenhouse-gas-emissions-of-combustion-engine-and-electric-passenger-cars/
Du rechnest hier mit Marginalstrom und nicht mit dem Strommix (wissenschaftlicher Konsens). Da kann natürlich nur Quatsch rauskommen.
https://twitter.com/DerGraslutscher/status/1613836455536623616
E-Autos halten auch übrigens länger als 150000km.
Strommix ist wissenschaftlicher Konsens, obwohl in der Praxis Marginalstrom zum Laden verwendet wird? Da bin ich jetzt aber mal auf die Quelle zu dem Konsens gespannt. Und wie wird das denn überhaupt erklärt?
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Der Graslutscher versteht offenbar nicht, dass Marginalstrom IMMER angewendet wird, wenn es um Änderungen des Verbrauchs geht – also auch beim Kühlschrank.
Es ist auch nicht so, dass 2 von 8760 Stunden im Jahr einen Unterschied machen. Ich haben den deutschen Marginalstrommix eh schon von 912 gCO2/kWh auf 900 gCO2/kWh abgerundet. In den Zwanziger Jahren wird der Marginalstrom kaum besser werden durch Ausbau von Wind. Der Ausbau von Solar wird quasi nie einen Unterschied machen, weil E-Autos hauptsächlich nachts geladen werden. In den 30er Jahren gehe ich trotzdem pauschal von 10% der Zeit negativer Residuallast beim Ladestrom aus, wobei ich das für SEHR optimistisch halte.
Nebenbei: Mich würde interessieren wie Jan Hegenberg (“Graslutscher”) auf die Zahlen kommt, also was seine Quelle ist. In der SMARD Datenbank ist die Residuallast an dem Tag sehr niedrig, aber deutlich positiv?
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Das ändert aber nichts daran dass Residuallasten mittlerweile effektiv negativ werden/die Null erreichen – z.B. 10. April (im SMARD Datensatz). Und das ist ganz interessant: Denn an dem Tag war die Residuallast negativ oder nahe Null für immerhin fünf Stunden. Der Strompreis war negativ oder nahe null für gut sechs Stunden. Aber: Trotzdem war die Stromerzeugung von Kohle und Gas in dem ganzen Zeitraum bei 8-9 GW, und “sonstige Konventionelle” bei einem weiteren GW.
Anders ausgedrückt ist man effektiv bei nahe 100% EE-Nutzung für den Marginalstrom (!) sobald die Residuallast unter ca. 10GW gerät, nicht erst bei 0. Tatsächlich bricht der Strompreis an vielen Tagen sogar schon auf nahe 0 zusammen sobald man unter 12-13 GW kommt, was ja effektiv auch schon 100% EE im Marginalstrom an dem jeweiligen Zeitpunkt bedeuten dürfte. Dieser Punkt wird natürlich mittlerweile schon sehr oft erreicht (im Moment oft mehrmals wöchentlich).
Und mit einem Zubau von 10-11 GWp Solar dieses Jahr (mit effektiv 7-8 GW Mittagsleistung zusätzlich an Tagen mit gutem Wetter im nächsten Mai) wird das schon nächstes Jahr noch sehr viel öfter passieren, da braucht es dann gar nicht mal richtig viel Wind mehr.
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Da wäre es doch mal interessant zu erfahren was da noch an Regelbarkeit in die konventionellen Kraftwerke reingebaut werden kann. Wärmegeführte Kraftwerke nicht mehr laufen lassen sondern runterfahren und Fernwärme stattdessen mit überschüssigem Strom heizen? Oder mit einem Heisswasserspeicher die Wärme über Mittags liefern die Nachts erzeugt wird?
Viel wird natürlich durch die Umstellung Kohle->Gas gewonnen, in wegen höherer Regel-/Schaltgeschwindigkeit bei den nicht wäremegeführten Reserven. Jedenfalls würde mich mal interessieren ob es absehbar Möglichkeiten gibt diese unnötige CO2-Produktion an Sommertagen weiter zu reduzieren.
Aber vielleicht weiss ja jemand wie viel Bewegung da ausserhalb der Gasumstellung noch zu erwarten ist. Oder Florian beglückt uns mit einem Artikel darüber 🙂
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Mittelfristig (in ein paar Jahren) werden die Leute ja Wege finden mehr von diesem billigen Strom durch das Laden von Elektroautos zu verbrauchen, was die Residuallast dann weniger negativ machen wird (ich weiss, Florian ist der Meinung dass die Leute standhaft weiter nur Nachts laden werden, aber da sind wir unterschiedlicher MEinung 🙂 ). Aktuell fehlen dazu aber sowohl ausreichend E-Autos als auch der Marktdruck um die Lösungen dafür zu schaffen. Und so oder so würde das ja nichts daran ändern dass es noch besser wäre wenn man weitere konventionelle in solchen Zeiten herunterfahren könnte als bisher.
Guter Punkt. Ein Teil der fossilen Kraftwerke sind “Must-Run”, entweder für Regelenergie oder wärmegeführte KWK oder weil sie sonst nicht schnell genug wieder hochfahren können um bei der Unterversorgung in der Nacht zu helfen. Die muss man von der Residuallast abziehen.
Ich kann mir aber – wie von dir schon erwartet – nicht vorstellen, dass das bei e-Autos einen großen Unterschied macht. Die wenigsten Menschen haben die Möglichkeit tagsüber zu laden. Wird es zukünftig Ladesäulen auf Firmenparkplätzen geben? Wäre sicher sinnvoll.
Genau. Das Schwierige dabei ist dass der Betrag den man abziehen muss unter anderem davon abhängt wie lange die Phase niedriger Residuallast dauert, und wie sicher sie vorhergesagt werden kann. Weiss ich sicher dass sie mehrere Tage dauert, dann kann ich wesentlich mehr Braunkohle herunterfahren. Und da kann man sich dann jetzt wieder super gut streiten wie man das korrekt zuordnet… Marginalstromstreit V2.0
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Natürlich wird es Ladesäulen auf Firmen- und firmennahen Parkplätzen geben. Das ist ja ein no-Brainer für diejenigen Energieversorger die jetzt schon ohnehin Ladesäulennetze betreiben, um ihr eigenes Netz zu optimieren. Es ist einzig eine Frage der Masse, denn im Unterschied zu bisherigen Ladesäulen (hoher Ladestrom und kurzes Parken, d.h. mehrere Autos pro Tag, viele kWh pro Tag) ist es dann umgekehrt – die Leute stehen lange, auch nachdem das Laden beendet ist; und niedrige Ladeströme sind ausreichend. Enstprechend muss die Hardware billig sein. Aber das ist sie ja schon so ziemlich – ich denke schon jetzt wird es, wenn ich eine Tiefgarage oder ein Parkhaus mit mehreren Dutzend simpler (kein DC) Wallboxen auf einmal ausstatte nur noch so 1000 Euro pro Port kosten. (Outdoor wird es wegen Wetterfestigkeit etwas mehr) Plus die Leitung zum Parkhaus, das ist natürlich extrem variabel.
Die Funktionalität existierender Hardware ist schon ausreichend, der Rest ist “bloss noch” Software. Der Kunde wird dann eine Art Abo unterschreiben das es dem Anbieter überlässt zu entscheiden ob und wann und wie viel das Auto geladen wird. So nach dem Motto “Lade mindestens auf 50%, mehr wenn der Strom billig ist, oder wenn ich in meiner App einen Bitte-Voll-Laden-Knopf drücke”, im Austausch für sehr viel billigere und dynamische Ladestromtarife. Für Kunden die zu Hause an der Straße parken müssen, ohne private Lademöglichkeit, wäre das doch sowieso schon ein Traum, da muss es gar nicht mal viel billiger sein als die normalen Ladesäulen! Bei den aktuellen Schwankungen denke ich schon dass der Stromanbieter innerhalb weniger Jahre deutlich mehr als die 1000 Euro pro Platz verdienen kann, solange zuverlässig an den meisten Werktagen mindestens ein Auto dran hängt. Sehr viele Auto-Nutzer zahlen ja 1000 Euro und mehr für Benzin, pro Jahr (ca. 10000 km). Mit V2G gibt es noch mehr Optionen Geld zu verdienen/zu sparen (Auch für den Kunden – ich lade tagsüber billig mein Auto auf und betreibe nachts damit mein Haus!).
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Bei Firmenparkplätzen würde auch evtl. die Firma dem Ladeanbieter noch zur Installation dazuzahlen, als Mitarbeiterservice oder für das Image – außer es ist irgendwann so profitabel dass die Firmen Ihre Parkplätze “vermieten” an die Stromanbieter. Bei Firmen mit viel Solar auf dem Dach haben die Netzbetreiber ein noch größeres Interesse.
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Das klappt aber nur weil wir die Anbietermonopole zum Glück nicht mehr überall haben. Dort wo es nur einen einzigen Anbieter gibt hat der natürlich weniger Interesse seinen überschüssigen Strom mit extra Ladepunkten zu verkaufen, wenn er weiss dass der Kunde sowieso gezwungen ist den Strom irgendwann alternativlos bei ihm zu kaufen, und sei es wenn er teuer ist.
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Bisher fehlt aber noch die Masse – bei “nur” 1 Mio E-Autos lohnt es sich vermutlich noch nicht ganz ausser für Nischenanbieter, und der Leidensdruck ist vielleicht auch noch nicht hoch genug (noch nicht genug Billigstrom-Phasen pro Jahr). Aber beides ändert sich ja aktuell recht schnell. In der Zwischenzeit werden aber viele Leute lokal oder privat Lösungen finden wie eine Abmachung mit dem Arbeitgeber für eine Steckdose mit dynamischem Stromvertrag oder oder ein dynamischer Stromvertrag a la Tibber zu Hause und einmal in der Woche das Auto tagsüber zum Laden zuhause lassen, usw.
Pingback: CO2 pro km: Wie klimafreundlich sind Elektroautos? - Tech for Future
Warum rechnest du in Deutschland mit Marginalstrom und berücksichtigst Opportunitäten (“den Strom hätte man auch ins Netz einspeisen und ein Braunkohlekraftwerk verdrängen können”) und bei E-Fuels aus dem Ausland nicht?
Nicht so vorwurfsvoll, das macht nicht Florian speziell, das wird in diesen Rechnungen nie gemacht. (Es wird allerdings auch eher selten darüber disktuiert und im gleichen Text auch über den Marginalstromverbrauch geredet… Da ist vermutlich der eigentliche Fehler).
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Jedenfalls: Bei den meisten dieser Diskussionen ist das Problem dadurch weggezaubert, dass die entsprechenden Anlagen gar nicht oder nicht ernsthaft mit einem Netz verbunden sind. Oder gleich z.B. in Patagonien stehen fernab signifikanter anderer Verbraucher… Voila, Problem verschwunden!
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Aber – ja, natürlich ändert das nichts an der Tatsache dass es, solange es noch irgendwo auf der Welt Standorte gibt an denen die von der gleichen WKA oder dem gleichen Solarmodul produzierte Energie (und sei es nur ein Viertel von der ursprünglich am Superstandort erzeugten Energiemenge!) – direkt verbraucht werden kann, solange ist es CO2-technisch besser die entsprechenden EE-Anlagen dorthin zu stellen bevor man in Patagonien und Co. mit eFuel anfängt.
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Das einzige was potentiell dafür spräche etwas früher damit anzufangen wäre: um den enstprechenden Anlagenbau und auch überhaupt die zu entwickelnden Technologien über einen längeren Zeitraum “hochzufahren”.
E-Fuels aus dem Ausland sind ebenfalls sinnlos, so lange noch Kohlekraftwerke laufen.
Die E-Fuel Produktion in der Wüste hätte noch weitere grosse Vorteile.
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1) Vorteil Kraftwerkstechnologie: Man muss dort keine Ressourcenintensive PV Panels einsetzen sondern kann z.B. auf Parabolrinnen KW zurückgreifen. Diese können Bandenergie liefern und mit Wärmespeicher auch nachts weiter Strom produzieren (wichtig für Elektrolyseure). Es werden keine knappen oder teuren Rohstoffe benötigt und dürften eine höhere Lebensdauer aufweisen als PV. Würde man hier auf PV setzen, würde die zusätzliche Nachfrage deren Preis treiben und damit den übrigen PV Ausbau verteuern und bremsen.
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2) Standortvorteil: Die Wüste ist praktisch ungenutzt, teure Pachten oder Nutzungskonflikte von wertvollem Boden entfallen komplett. Zeitraubende und kostensteigernde Nimby-Proteste, Klagen oder Umweltgutachten gibt es da kaum. Ein Ausbau ist praktisch unbegrenzt möglich. Ein zentraler Standort senkt ausserdem Kosten für Anlagenbau, Logistik und übriger Infrastruktur (Hafen, Baumaschinen, Zufahrtswege, Stromnetz etc.)
Economies of scale spielt hier eine erhebliche Rolle.
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Leider wird, meist von Laien, oft nur die techn. Effizienz einseitig betrachtet und die ökonomische vergessen.
Da bin ich nicht so sicher – die PV Produktion wurde in den letzten Jahren so viel effizienter gemacht dass das nicht mehr wirklich ressourcenintensiver ist als Parabolrinnen. Schon 2021 waren Parabolrinnenkraftwerke mit Speicher (8 Stunden typischerweise) gut 3 mal so teuer am gleichen (sehr guten) Standort. Ob man mit diesen acht Stunden Speicher durch den effizienteren Elektrolyseur-Einsatz einen Faktor drei gewinnen kann scheint mir mehr als Zweifelhaft.
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Aber, ja, falls durch dei Nachfrage der Solarmarkt tatsächlich stark steigen sollte wäre es möglicherweise durch die getrennten Produktionen der beiden Techniken denkbar dass sich das zugunsten der Parabolrinnen bzw. anderer Concentrator-Techniken entwickelt. Das ist ein sehr interessanter Punkt. Aktuell erhöht sich der Abstand aber wohl eher als dass er sich verkleinert.
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> Standortvorteil: Die Wüste ist praktisch ungenutzt, teure Pachten oder Nutzungskonflikte von wertvollem Boden entfallen komplett. Zeitraubende und kostensteigernde Nimby-Proteste, Klagen oder Umweltgutachten gibt es da kaum. Ein Ausbau ist praktisch unbegrenzt möglich.
Richtig. Das sowie das vorhandensein extrem billiger importierter Arbeitskräfte ohne Arbeitnehmerrechte und ohne großen Arbeitsschutz dürften auch der Hauptgrund sein, warum man in Saudi-Arabien für knapp 1ct Solarstrom mit PV machen kann, obwohl man rechnerisch “nur” 2.2 mal so viel Strom pro Zelle bekommt wie in Deutschland.
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Aber der Faktor 4 der Umwandlungsverluste ist halt schon hartes Brot. Das wird man eben nur für Anwendungen auf sich nehmen die man nicht mit Direktstrom betreiben kann (Flüge, Speicherung für den Winter, etc.).
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@Sam
Aus verschiedenen Gründen ist es weniger als Faktor 3. Die Stromgestehungskosten von PV (und Wind) können nicht 1:1 mit anderen Erzeugern verglichen werden. PV allein stellt kein funktionsfähiges System dar, es kann nur ein Teil dessen sein. Ein Netz nur aus Wechselrichtern funktioniert techn. gar nicht. Die volatile Erzeugung kann auch kaum von den angeschl. Verbrauchern aufgenommen werden, das betrifft insb. die Elektrolyseure. Die müssten erst erfunden und dann ordentlich überdimensioniert werden und bei verminderten Auslastung arbeiten. Abregeln wäre dennoch nicht ganz vermeidbar. Die Probleme, und die Kosten sie zu lösen, sollten nicht unterschätzt werden.
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Darüber hinaus kostet der Umstieg auf Eautos ebenfalls Energie (Herstellung, Material, Netzausbau, Ladesäulen), die zusätzlich erzeugt werden muss. Die müsste man bei Efuels gegenrechnen. Es ist auch nicht fair hoch subv. Eautos/Ladeinfrastruktur mit unsubv. Efuels zu vergleichen.
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Exakt, es gibt Anwendungen wo flüssige Kraftstoffe alternativlos sind. Wir reden da aber nicht gerade über kleine Ausnahmen. Von Kettensägen über Motorräder bis zur kompletten Schiff/Luftfahrt, Landwirtschaftl. Fzg., Baumaschinen, Generatoren, LKW, Busse und Militär. Und selbst beim PKW können sich BEV nur schwer durchsetzen, insb. bei Kleinwagen und leichten Transportern. Und da die heimischen EE nie ausreichen werden, müssten zeitweise auch Eautos durch Efuel verbrennende Kraftwerke geladen werden.
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Speicher von SKW sollten sich problemlos auf 15h erweitern lassen. 8h sind wirtsch. optimal für normale Versorgungsnetze, wo der Bedarf am Abend hoch aber Nachts gering ist.