EEG-Novelle 2022: Änderungen Klimaschutz-Sofortprogramm zum EEG-2021

Nach dem EEG-2021 folgt 2022 schon wieder eine neue EEG-Novelle. Kann die Ampel die deutsche Energiewende endlich zum Erfolg führen?

Die deutsche Energiewende ist eine Katastrophe. Die Kosten sind explodiert, die CO2-Emissionen sinken nur langsam.

Nach 16 Jahren Führung durch die CDU gibt es eine Chance die Zügel herumzureißen. Kann die Ampel-Koalition die Energiewende retten?

An Ambitionen mangelt es zumindest nicht. Habecks Klimaschutz-Sofortprogramm soll unter anderem deutlich höhere Ausbauziele für Wind und Solar erreichen.

Welche gravierenden Änderungen soll es im Osterpaket und Sommerpaket zum noch gar nicht so alten EEG-2021 geben?

Welche Klimaziele und Ausbauziele sollen bis 2030 mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm erreicht werden? Lies weiter

Habecks Eröffnungsbilanz: Verfehlte Klimaziele 2021 & 2022 & 2023

Das Klimaziel von 40% CO2-Minderung gegenüber 1990 wurde im Jahr 2021 verfehlt. Statt weiter zu sinken, sind die CO2-Emissionen gegenüber 2020 um rund 4% gestiegen.1 Und sie werden vermutlich weiter steigen.

Auch die Klimaziele für 2022 und 2023 werden laut Wirtschafts- und Klimaminister Habeck höchstwahrscheinlich verfehlt werden. Den Hauptgrund dafür will Habeck nicht nennen. Es ist natürlich der klimaschädliche Atomausstieg, der die deutschen CO2-Emissionen pro Jahr bis 2023 um bis zu 70 Millionen Tonnen erhöhen wird. Das sind 9% der deutschen CO2-Emissionen.

Die ersten guten Nachrichten zu Klimazielen wird es also frühestens 2025 geben, wenn die Daten für das Jahr 2024 bekannt sein werden. Das Problem bei einem so kurzen Zeithorizont sind die langen Vorlaufzeiten.

2025 wird auch das nächste reguläre Bundestags-Wahljahr sein. Bemerkenswert ist deshalb das Jahr 2030 als Fokus der Ampel-Bemühungen, obwohl das Jahr 2024 entscheidend für die Wiederwahl sein dürfte.

Ob die Ampel unter Federführung der Grünen im Jahr 2024 genügend Erfolge vorzeigen kann? Habecks Ausbaupläne sind nach seinen eigenen Aussagen sehr ambitioniert.

EEG-Novelle 2022: Änderungen Klimaschutz-Sofortprogramm zum EEG-2021

Das Ziel von 65% Erneuerbaren im Strommix ist mit dem EEG-2021 bei steigendem Stromverbrauch nicht erreichbar. Deshalb bessert die Ampel-Koalition unter Klima- und Wirtschaftsminister Habeck mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm im Osterpaket und Sommerpaket nach.

Die EEG-Novelle 2022 soll den durchschnittlichen Zubau auf 25,9 Gigawatt Nennleistung Zubau pro Jahr steigern:2

  • 15,8 GW Netto-Ausbau Photovoltaik pro Jahr
  • 7,7 GW Netto-Ausbau Wind an Land pro Jahr
  • 2,5 GW Netto-Ausbau Wind Offshore pro Jahr

Mit dieser mehr als Verdreifachung des Ausbaus gegenüber den 7,6 GW pro Jahr im EEG-2021 ist ein Anteil von 65% an Erneuerbaren im Strommix bis 2030 erreichbar, falls der Stromverbrauch unter 700 TWh pro Jahr bleibt.

Diese EEG-Novelle 2022 der Ampel-Koalition ist extrem ambitioniert, wie Klima- und Wirtschaftsminister Habeck selbst zugibt. Es ist fraglich, ob die wenigen Jahre bis 2030 für die Ausbauziele reichen werden.

80% Erneuerbare: Unerreichbares Ausbauziel des Ampel-Koalitionsvertrages

Der geplante Ausbau reicht aber immer noch nicht für die Klimaziele der neuen Bundesregierung. Ein 80% Anteil an Erneuerbaren im Strommix soll laut Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen bis 2030 erreicht werden. 3

Für dieses neue 80%-Ziel müsste der Ausbau von Wind und Solar noch einmal gut verdreifacht werden auf im Schnitt 94 Gigawatt Nennleistung Zubau pro Jahr, z.B. so:4

  • 38,8 GW Netto-Ausbau Photovoltaik pro Jahr
  • 50,7 GW Netto-Ausbau Wind an Land pro Jahr
  • 4,6 GW Netto-Ausbau Wind Offshore pro Jahr

Das entspräche einer Verzwölffachung des Zubaus gegenüber dem EEG-2021. Wir müssten pro Jahr ungefähr so viel Wind und Solar zubauen, wie in 20 Jahren Energiewende bisher.

Für so ein Mammutprojekt gäbe es überhaupt nicht genug Flächen in Deutschland, geschweige denn Material oder Fachkräfte. Das 80%-Ziel ist ganz klar bis 2030 unerreichbar. Der dafür nötige Ausbau scheint auch gar nicht geplant.

Es steht aber trotzdem im Koalitionsvertrag:

“Wir richten unser Erneuerbaren-Ziel auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680-750 TWh im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen.”

(Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen & FDP)

Ja klar, Papier ist geduldig. Aber dieses Ziel ist nicht annähernd im Reich des Möglichen. Die 65% werden schwer genug.

EEG-2021: Ausbauziele für Wind & Photovoltaik

Im Januar 2021 wurde unter der großen Koalition eine Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes verabschiedet, das EEG-2021.

Darin wurden höhere Ausbauziele für Erneuerbare Energien bis 2030 formuliert mit durchschnittlich 7,6 Gigawatt Nennleistung Zubau pro Jahr:5

  • 4,6 GW Netto-Ausbau Photovoltaik pro Jahr
  • 1,7 GW Netto-Ausbau Wind an Land pro Jahr
  • 1,4 GW Netto-Ausbau Wind Offshore pro Jahr

Das ist eine Erhöhung des Zubaus um rund 21% gegenüber den letzten 5 Jahren. Das ist kein großer Wurf, aber eine Verbesserung. Der Brutto-Zubau bei Wind an Land liegt noch einmal deutlich höher, weil bis 2030 ein Rückbau von 20 GW zu erwarten ist.6

Damit wären bis 2030 rund 55% Anteil Erneuerbare erreicht worden, falls der Stromverbrauch nicht gestiegen wäre. Das Klimaziel für 2030 war aber längst schon 65% Erneuerbare am Strommix laut Klimaschutzprogramm 2030 7

Das EEG-2021 war also bereits bei Verabschiedung veraltet und unzureichend. So kennt man Klimaschutz unter der Union.

Verschärfung des EEG-2021: Verdopplung Zubau Wind & Photovoltaik

Es war zumindest eine deutliche Verschärfung des EEG-2021 vorgesehen auf durchschnittlich 15,8 Gigawatt Nennleistung Zubau pro Jahr: 8

  • 10,1 GW Netto-Ausbau Photovoltaik pro Jahr
  • 4,3 GW Netto-Ausbau Wind an Land pro Jahr
  • 1,4 GW Netto-Ausbau Wind Offshore pro Jahr

Mit dieser Verdopplung des Zubaus gegenüber dem EEG-2021 wären 65% Erneuerbare erreichbar gewesen, bei gleichbleibendem Stromverbrauch. Die Verschärfung wurde von der alten Bundesregierung aber nicht mehr umgesetzt.

Selbst die Verschärfung hätte aber nicht gereicht. Ein gleichbleibender Stromverbrauch bis 2030 ist äußerst unrealistisch. Fortschritte in der Sektorkopplung bei Wärmepumpen und Elektroautos erhöhen die Nachfrage nach Elektrizität.

Bei realistischen 700 TWh Stromverbrauch im Jahr 2030, wäre das verschärfte EEG-2021 nur auf 58% Erneuerbaren-Anteil im Strommix gekommen. Die Verschärfung muss also erneut verschärft werden. Zu diesem Schluss kam auch die Ampel-Koalition.

Überproduktion: Ausbau ohne Speicher stößt an Grenzen von Wind & Solar

Das 80%-Ziel können wir realistisch erst erreichen, wenn wir eine Wasserstoffwirtschaft in signifikantem Umfang aufgebaut haben. Ohne Speicher sind bei 80% erneuerbaren Strom mehr als die Hälfte nicht nutzbare Überproduktion.

Bilanziell erzeugt die Verzwölffachung des Ausbaus bis 2030 bereits rund 1.388 TWh pro Jahr. Das ist auf dem Papier doppelt so viel Strom, wie überhaupt nachgefragt werden wird. Aber davon sind ohne Speicher nur 510 TWh nutzbar.

Überproduktion ist heute noch kein Problem, mit Ausnahme von gelegentlichen Abregelungen durch Netzengpässe. Signifikante Mengen davon gibt es erst ab Systemanteilen von rund 25% Wind und 15% Solar. Ohne Speicher skaliert der Ausbau auf 80% Erneuerbare also nicht.

Die nicht nutzbaren Strommengen steigen bei höheren Systemanteilen überproportional mit dem Ausbau:

  • ~0% Überproduktion bei 40% Erneuerbaren am Strommix
  • 18% Überproduktion für das 65%-EE-Ziel
  • 63% Überproduktion für das 80%-EE-Ziel

Diese überproportionale, weil nichtlineare Entwicklung bis 80% sieht man gut im obigen Graph. 9

Überproduktion Beispiel: Hochskalierung der Kalenderwoche 2/2022

Warum gibt es das Problem der Überproduktion nur bei Wind und Solar? Wetterabhängige Erneuerbare lassen sich eben nicht bedarfsgerecht regeln. Sie lassen sich nur abregeln.

Wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, liefern alle Anlagen gleichzeitig. Wegen dieser Konzentration auf wenige Zeiträume, kommt es zu Phasen der Überproduktion einerseits und Unterproduktion andererseits.

Die Grafik oben zeigt als Beispiel die 2. Kalenderwoche 2022 hochskaliert auf die oben formulierten Ausbauziele für 80% Erneuerbare. Ebenso ist der Stromverbrauch hochskaliert auf 700 TWh:

  • Alles was über der roten Linie liegt, ist nicht nutzbar.
  • Alles was unter der roten Linie nicht durch Erneuerbare gedeckt wird, muss fossil ergänzt werden.

Wenn der Systemanteil den jeweiligen Kapazitätsfaktor deutlich überschreitet, produzieren Windräder und Photovoltaik-Anlagen regelmäßig mehr Strom als überhaupt nachgefragt wird. Ohne Speicher muss zu viel produzierter Strom exportiert oder verklappt werden.

Eine weitere deutsche Studie zur Überproduktion von Wind und Solar ohne Speicher kommt zu niedrigeren Werten. 10 Obwohl Kemfert generell keine seriöse Quelle ist, ist die Größenordnung zumindest in diesem Fall ähnlich.

Speicherzukunft der Ampel-Koalition: Batterien & Wasserstoff

Bei den ursprünglichen Ausbaupfaden der Energiewende wären Speicher erst in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre notwendig gewesen. Wenn wir den Ausbau beschleunigen wollen, wie im Ampel-Koalitionsvertrag festgehalten, sind sie bereits vor 2030 notwendig.

Es gibt bis 2030 aber keine signifikante Speicherkapazität. Selbst Pläne bis 2040 eine globale Wasserstoffwirtschaft aufzubauen sind äußerst ambitioniert. Wir sind aktuell noch bei Pilotanlagen. Der Fortschritt beim Wasserstoff ist vergleichbar mit Photovoltaik Anfang der Neunziger Jahre.

Im Koalitionsvertrag steht zum Wasserstoff:

“Wir wollen eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen.”

(Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen & FDP)

10 GW Elektrolyseure sind nicht nur ambitioniert. Das wäre ein bahnbrechender Erfolg. Wir haben 2022 gerade einmal 0,02 GW Elektrolyseure in Deutschland. Aber selbst 10 GW Leistung reichen nicht annähernd, wenn man ausschließlich “grünen Wasserstoff” mit erneuerbarem Strom aus Überproduktion erzeugen will.

Man könnte mit 10 GW Elektrolyseuren, die einen Großteil der Zeit stillstehen nicht einmal die Hälfte des heutigen Wasserstoffbedarfs der Chemieindustrie in Höhe von 37 TWh decken. 11 Und die Wasserstoffnachfrage der Industrie soll bis 2030 deutlich wachsen, eben aufgrund der Klimaziele.

Alternativen zum Wasserstoff gibt es keine. Batteriespeicher sind perfekt für Regelenergie, aber taugen grundsätzlich nicht als Saisonspeicher. Selbst als Tagesspeicher sind sie immer noch viel zu teuer. Im Koalitionsvertrag sind Batteriespeicher in Netzgröße gar nicht erwähnt.

Smart Grids: Was helfen flexible Lasten bis 2030?

Smart Grids können durch eine Flexibilisierung von Lasten die Überproduktion verringern. (das berühmt-berüchtigte Bärbock-Tiefkühlhähnchen). Sie können das Speicherproblem zwar nicht lösen, aber Speicheranforderungen senken.

Flexible Lasten werden im Koalitionsvertrag nur am Rande angesprochen:

“Den Rollout intelligenter Messsysteme als Voraussetzung für Smart Grids werden wir unter Gewährleistung des Datenschutzes und der IT-Sicherheit erheblich beschleunigen.”

(Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen & FDP)

Selbst der Thinktank Agora Energiewende erwartet bis 2030 nur eine geringe Flexibilisierung von Lasten. Die für 2030 von Agora prognostizierte flexible Lastkurve habe ich auf Anregung eines Lesers über die naive Skalierung der heutigen Last auf 700 TWh gelegt.12 Die Quantisierung liegt an der nur stündlichen Auflösung der Agora-Daten.

Auf den ersten Blick sieht man, dass Agora Energiewende von einem ähnlichen Jahresverbrauch ausgeht. Laut Agoras Studie sind es 643 TWh. Es lassen sich kleine Unterschiede zwischen den beiden Lastkurven ausmachen, die auf Agoras optimistische Flexibilisierungs-Annahmen für 2030 zurückgehen:1314

  • 4 GW Flexible Lasten Industrie
  • 7 GW Elektrolyseure
  • 2 GW Großbatteriespeicher (1 Stunde Kapazität)
  • 10 GW Heimbatteriespeicher (1 Stunde Kapazität)

Die Pumpspeicher bleiben bei der heutigen Leistung von 7 GW und rund 8 Stunden Kapazität. Es sollen außerdem 14 Millionen Elektro-Autos als halbwegs flexible Lasten hinzukommen.

Kurzfristig über eine Stunde kann die Flexibilisierung rund vervierfacht werden. Über acht Stunden ist es immer noch gut eine Verdopplung.

In der 2. Kalenderwoche 2022 lohnt sich die Verschiebung der Last besonders an 4 Tagen:

  • 10.1.22 Lastverschiebung aus der Windflaute auf den Vortag
  • 11.1.22 Lastverschiebung in das Solarmaximum zur Mittagszeit
  • 12.1.22 Lastverschiebung aus der Windflaute auf den Tag danach
  • 15.1.22 Lastverschiebung aus der Windflaute auf den Vortag und den Tag danach

Integriert über die Beispielwoche können durch die Lastverschiebungen aus den Windflauten heraus 0,18 TWh Überproduktion zusätzlich genutzt werden.

Die 2. Kalenderwoche 2022 ist ein Extremfall mit besonders viel Windflaute. Wenn es in jeder einzelnen Kalenderwoche solch günstige Gelegenheiten zur Lastverschiebung gäbe, würden wir über das Jahr rund 9,5 TWh durch Flexibilisierung sparen.

Die oben formulierten Ausbauziele für 80% EE würden also bereits für 82% Erneuerbare reichen. Oder anders betrachtet, man bräuchte für 80% Erneuerbare mit flexiblen Lasten ungefähr so viel Zubau wie für 78% ohne flexible Lasten. Man könnte den Windzubau an Land gut halbieren.

Die Flexibilisierung der Lasten bietet trotz der nur kleinen Unterschiede in den Lastkurven bei hohen Systemanteilen von Wind & Solar einen deutlichen Vorteil. Aber an den ungeheuren Größenordnungen ändert sie nichts. 80% Erneuerbare bis 2030 sind völlig unrealistisch.

Agora Energiewende geht übrigens nur von 68% Erneuerbaren im Strommix bis 2030 aus und das bei 8% geringerem Stromverbrauch.

Kernkraftwerke haben kein Speicherproblem

Spätestens beim ungelösten und bis 2030 unlösbaren Speicherproblem wird schnell klar, warum viele Länder neue Kernkraftwerke zum Erreichen ihrer Klimaziele bauen.

Um das Klimaziel der Ampel eines 65% klimafreundlichen Strommix zu schaffen, müssten wir gut 5 große Kernkraftwerke vom Typ EPR mit Vierfachbelegung bauen.

Um einen 80% klimafreundlichen Strommix zu schaffen, müssten wir gut 6 solche Kernkraftwerke bauen, also eins mehr. Das ist eine lineare Skalierung anders als bei Wind und Solar.

Kernkraft ist regelbar und versorgungssicher. Sie hat deshalb:

  • keine Überproduktion
  • keine Speicher nötig
  • keine Ausbaugrenzen

Das gleiche gilt natürlich auch für Wasserkraft und Geothermie. Aber Deutschlands Potential für diese beiden regelbaren klimafreundlichen Energiequellen ist leider sehr niedrig.

Günstiger und schneller als eine Monokultur von nur Wind und Solar oder nur Kernkraft einzusetzen, wäre ein gesunder Mix aller klimafreundlichen Erzeuger. Die Synergien von Wind/Solar für Spitzenlast und Kernkraft für Grundlast ergänzen sich sehr gut.

Weitere Klimaziele: Wärmesektor, Transportsektor & Kohleausstieg

Klima ist nicht nur elektrischer Strom. Im Wärmesektor sieht die “Gebäudestrategie Klimaneutralität” vor allem Sanierungen von Altbauten vor. Bis 2030 sollen laut Koalitionsvertrag außerdem 50 Prozent der Heizungen klimaneutral sein. Das ist mehr als nur ambitioniert, selbst wenn man die klimaschädliche Holzverbrennung dazu zählt.

Die deutsche Automobilindustrie soll laut Ampel-Koalition nach und nach auf den Elektromotor umgestellt werden. Die Ladesäuleninfrastruktur soll verbessert werden. Bis 2030 sollen möglichst 15 Millionen vollelektrische PKWs auf den Straßen sein. Heute sind es eine halbe Million.

Der Kohleausstieg soll “idealerweise” schon 2030 passieren. Dazu müssen laut Koalitionsvertrag ausreichend “moderne Gaskraftwerke” gebaut werden. Ausreichend heißt mindestens eine Verdopplung der heutigen Kapazität auf 60-70 GW. 15 16 Zusätzlich braucht man Reserven für die Kraft-Wärme-Kopplung.

Der dafür nötige Zubau von mindestens 40 GW Gaskraftwerken ist in der Grafik oben eingetragen. Das wäre der größte Zubau von Kraftwerken in der Geschichte von Deutschland. Bei reinen Bauzeiten von 4-7 Jahren pro Gaskraftwerk17 ist dieses Vorhaben extrem ambitioniert.

Die EEG-Umlage soll in Zukunft vollständig aus Steuergeldern finanziert werden, um die enormen Strompreiserhöhungen leicht abzumildern.

Für die Industrie sollen Carbon Contracts for Difference aufgelegt werden, die den Aufpreis für klimafreundliche Technologien gegenüber bestehenden klimaschädlichen Praktiken erstatten.

Der Stromverbrauch im Jahr 2030 hängt stark davon ab, wie erfolgreich diese Maßnahmen sind. Insbesondere beeinflusst die Sektorkopplung Wärme und Transport die Stromnachfrage. Die Studienlage zeigt eine Bandbreite von 561 TWh bis 886 TWh. 18 Die Ampel geht von 680-750 TWh aus.

Fazit zum Klimaschutz-Sofortprogramm der Ampel unter Habeck

Wenn man sich im Kopf “unrealistisch” denkt, jedes Mal wenn Klimaminister Habeck “ambitioniert” sagt, dann liegt man damit wohl öfter richtig als falsch.

Aber Habeck ist auch nur ein tragischer Held aus einer griechischen Tragödie. Sein Scheitern ist unverschuldet. Das Werkzeug, das man ihm gegeben hat, ist stumpf.

Wir wären deutlich weiter, wenn wir 10% so ambitioniert dabei wären die richtigen Technologien auszuwählen, wie beim Einsatz dieser Technologien:

Frankreich: Setzt die richtige Idee inkompetent um
Deutschland: Setzt die falsche Idee kompetent um

(Mark Nelson auf Twitter)

Das Ergebnis? Frankreich gewinnt ohne jede Ambition.

Das Hauptproblem der Energiewende ist ja eben nicht der Wille zur Umsetzung. Wir können noch so ambitioniert im Kreis rennen und kommen doch nicht voran.

Wir werden bis 2030 eine Rekordmenge Solar und Wind zubauen und trotzdem alle Klimaziele reißen. Die CO2-Nadel wird sich bei immer weiterem Ausbau kaum noch rühren, weil es keine Speicher in Netzgröße gibt.

“Dass das mit Wind und Solar allein nicht geht konnte ja niemand wissen” heißt es dann.

Quellen

  1. Abschätzung der Klimabilanz Deutschlands für das Jahr 2021 Agora Energiewende (2021)
  2. Eröffnungsbilanz Klimaschutz BMWI (2022)
  3. Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP Bundesregierung (2021)
  4. eigene Berechnung mit Kapazitätsfaktoren 38%, 22% & 11% und Überproduktion auf Basis von Ueckerdt et al (2013)
  5. Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2021 Bundesministerium der Justiz (2020)
  6. Windenergie an Land Umweltbundesamt (2021)
  7. Klimaschutzprogramm 2030 Bundesregierung (2019)
  8. Klimapakt Deutschland IHK Karlsruhe (2021)
  9. System LCOE: What are the costs of variable renewables? Ueckerdt et al (2013)
  10. On the economics of electrical storage for variable renewable energy sources Kemfert et al (2018)
  11. Wasserstoff Aktionsplan Deutschland Nationaler Wasserstoffrat (2021)
  12. Zukunfts-Agorameter für 2030 10.1.-16.1.2022 Agora Energiewende (2022)
  13. Klimaneutrales Deutschland 2045 Agora Energiewende (2021)
  14. Klimaneutralität und Versorgungssicherheit im Strommarkt Prognos (2021)
  15. Klimapfade 2.0 BDI (2021)
  16. Regelbare Kraftwerke werden auch langfristig zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit gebraucht 50 Hertz (2021)
  17. Gaskraftwerke für den Klimaschutz FAZ (2021)
  18. Die Auswirkungen des Klimaschutzprogramms 2030 auf den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromnachfrage EWI Uni Köln (2020)

Abonniere neue Beiträge

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

11 Comments
Inline Feedbacks
View all comments